BFH, Urteil vom 23.02.2010, II R 42 / 08

 

Tatbestand

Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) sowie ihre
Mutter (M) waren zwei von sechs Kommanditisten der X-GmbH & Co. KG (KG),
die sich mit der Verwaltung von Grundbesitz und der Errichtung von Wohngebäuden
befasste. Die Beteiligung der M belief sich auf 11,25 % und die der Klägerin
auf 42,40 %. Die KG hatte zwei nicht am Gesellschaftsvermögen beteiligte
persönlich haftende Gesellschafter, nämlich eine natürliche Person sowie die
Grundstücksgesellschaft Y mbH (GmbH). Nur die GmbH war zur Vertretung der KG
und zur Führung ihrer Geschäfte berufen. Neben den festen Kapitalkonten und
einem gesamthänderisch gebundenen offenen Rücklagenkonto wurden für die
Kommanditisten Darlehenskonten geführt. Die GmbH war als Geschäftsführerin
berechtigt, bis zu 25 % des Jahresüberschusses dem Rücklagenkonto zuzuführen.
Der restliche Gewinn wurde nach weiteren Abzügen entsprechend den festen
Kapitalanteilen verteilt. Für Geschäfte, die über den gewöhnlichen Betrieb
hinausgehen, benötigte die GmbH einen zustimmenden Gesellschafterbeschluss. In
der Gesellschafterversammlung gewährte jeweils 1 € eines festen Kapitalkontos
eine Stimme. Gesellschafterbeschlüsse konnten mit einfacher Mehrheit der
abgegebenen Stimmen gefasst werden. In bestimmten Angelegenheiten war eine
Mehrheit von 75 % sämtlicher Stimmen erforderlich.

Gesellschafter der GmbH waren die sechs Kommanditisten der
KG mit Geschäftsanteilen in unterschiedlicher Höhe. Mit einer Ausnahme (Vorzugsstimmrecht)
vermittelten je 100 DM eines Geschäftsanteils in der Gesellschafterversammlung
eine Stimme. Gesellschafterbeschlüsse kamen mit einfacher Mehrheit der
abgegebenen Stimmen zustande. Änderungen des Gesellschaftsvertrages bedurften
einer Mehrheit von 75 % sämtlicher Stimmen.

Mit notariell beurkundetem Schenkungsvertrag vom 4. Dezember
2002 übertrug M ihren Kommanditanteil an der KG einschließlich ihres Anteils an
den offenen Rücklagen und zuzüglich der Forderung aus ihrem Darlehenskonto
sowie ihren Geschäftsanteil an der GmbH auf die Klägerin. Dabei behielt sie
sich einen lebenslänglichen Nießbrauch an den übertragenen Beteiligungen vor.
Der M sollten die Ergebnisanteile aus der übertragenen Kommanditbeteiligung
nebst den Zinsen auf die Darlehensforderung sowie die anteiligen
Gewinnausschüttungen der GmbH zugerechnet werden. Außerdem sollten der M die
mit der übertragenen Beteiligung an der KG verbundenen „Stimm- und
sonstigen Verwaltungsrechte“ zustehen. Im Falle einer Veräußerung der
Beteiligungen sollte sich der Nießbrauch am „Netto-Veräußerungserlös“
und ggf. an dessen Wiederanlage fortsetzen.

M erklärte, dass der Freibetrag gemäß § 13a Abs. 1 des
Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetzes in der 2002 geltenden Fassung
(ErbStG) in voller Höhe von 256.000 € in Anspruch genommen werde. Der Beklagte
und Revisionsbeklagte (das Finanzamt –FA–) versagte jedoch die
Steuervergünstigungen des § 13a ErbStG und setzte durch Bescheid vom 25. März
2004 bei einem Erwerb von 666.612 € und einer Vorschenkung aus dem Jahr 2000 in
Höhe von 72.603 € unter dem Vorbehalt der Nachprüfung Schenkungsteuer von
87.900 € fest. Davon stundete er wegen der Nießbrauchsbelastung einen
Teilbetrag von 23.220 €, so dass zunächst nur 64.680 € zu zahlen waren.
Einspruch und Klage, mit denen die Klägerin auf den Steuervergünstigungen des §
13a ErbStG bestand, blieben erfolglos.

Das Finanzgericht (FG) war mit dem in Entscheidungen der
Finanzgerichte 2008, 1733 veröffentlichten Urteil der Ansicht, die Klägerin sei
wegen der Ausgestaltung des vorbehaltenen Nießbrauchs nicht Mitunternehmerin
geworden. Zwar habe sie ein Mitunternehmerrisiko getragen –ihr stehe ein
etwaiger Veräußerungserlös zu; auch liege das Risiko eines Untergangs der
Beteiligung bei ihr–; sie könne jedoch wegen der M vorbehaltenen Stimm- und
Verwaltungsrechte keine Mitunternehmerinitiative entfalten. Dem stehe die
Einheitlichkeit ihrer durch den Hinzuerwerb vergrößerten Kommanditbeteiligung
nicht entgegen. Ein Gesellschafter könne schuldrechtlich gehindert sein,
„über Teile seines Anteils frei zu verfügen“. Im Übrigen sei Erwerbsgegenstand
eine Kommanditbeteiligung ohne die sonst damit verbundene Möglichkeit,
Mitunternehmerinitiative zu entfalten.

Mit der Revision rügt die Klägerin die fehlerhafte Anwendung
des § 13a Abs. 4 Nr. 1 ErbStG. Ihr komme auch Mitunternehmerinitiative zu.
Wegen der Einheitlichkeit des vergrößerten Kommanditanteils in ihrer, der
Klägerin, Hand könne M die dem Nießbraucher sonst zustehenden Stimmrechte nicht
ausüben. Vielmehr könnten die Mitgliedschaftsrechte aus dem einheitlichen
Gesellschaftsanteil nur einheitlich ausgeübt werden. Daher sei der Vorbehalt
der Stimm- und Verwaltungsrechte bezüglich des hinzuerworbenen Anteils durch M
unwirksam oder zumindest undurchführbar. Sie, die Klägerin, sei allerdings
verpflichtet, bei Wahrnehmung ihrer Gesellschafterrechte die Interessen der M
als Nießbraucherin zu berücksichtigen. Unabhängig davon müsse ohnehin in allen
Fällen eines dinglichen Nießbrauchs an einem Gesellschaftsanteil dem
Gesellschafter ein Kernbereich von Mitwirkungsrechten zur eigenen Ausübung
verbleiben. Deshalb sei ein Vorbehalt der Stimm- und Verwaltungsrechte dahin
auszulegen, dass das Stimmrecht dem Nießbraucher nur in laufenden
Angelegenheiten der Gesellschaft zustehen solle.

Die Klägerin beantragt,

unter Aufhebung der Vorentscheidung den
Schenkungsteuerbescheid vom 25. März 2004 in Gestalt der Einspruchsentscheidung
vom 9. Februar 2006 dergestalt zu ändern, dass die Steuervergünstigungen des §
13a ErbStG gewährt werden.

Das FA beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

Gründe

Die Revision ist unbegründet; sie war daher zurückzuweisen (
§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung –FGO– ). Das FG hat es zu Recht
abgelehnt, der Klägerin die Steuervergünstigungen des § 13a Abs. 1 und 2 ErbStG
zu gewähren.

1. Gemäß § 13a Abs. 4 Nr. 1 ErbStG kommen die
Vergünstigungen der Abs. 1 und 2 der Vorschrift in Betracht für inländisches
Betriebsvermögen beim Erwerb u.a. eines Anteils an einer Gesellschaft i.S. des
§ 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 und Abs. 3 des Einkommensteuergesetzes (EStG). Dabei
sind die genannten Steuervergünstigungen nur zu gewähren, wenn das von Todes
wegen oder durch Schenkung unter Lebenden erworbene Vermögen durchgehend sowohl
beim bisherigen als auch beim neuen Rechtsträger den Tatbestand des Abs. 4 Nr.
1 der Vorschrift erfüllt (Urteile des Bundesfinanzhofs — BFH –vom 10.
Dezember 2008 II R 34/07, BFHE 224, 144, BStBl II 2009, 312, sowie vom 14.
Februar 2007 II R 69/05, BFHE 215, 533, BStBl II 2007, 443).

a) Dass das Vermögen auch beim Erwerber den Anforderungen
des § 13a Abs. 4 Nr. 1 ErbStG genügen muss, ergibt sich nicht nur aus dem
Begünstigungszweck der Norm in Verbindung mit den Nachversteuerungstatbeständen
des Abs. 5 der Vorschrift, sondern auch aus Art. 3 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG).
Die Bevorzugung des Betriebsvermögens gegenüber anderen Vermögensarten bei der
Erbschaft- und Schenkungsteuer bedarf nämlich im Hinblick auf Art. 3 Abs. 1 GG
einer Rechtfertigung, wie sie der Gesetzgeber dem Beschluss des Bundesverfassungsgerichts
( BVerfG) vom 22. Juni 1995 2 BvR 552/91 ( BVerfGE 93, 165, BStBl II 1995, 671,
unter C.I.2.b bb) entnommen hat. Das BVerfG hat aber die Milderung des
Steuerzugriffs bei Betriebsvermögen ausdrücklich auf solche Erwerber
beschränkt, die den Betrieb „weiterführen“,
„aufrechterhalten“ und „fortführen“. Diese Wortwahl zeigt,
dass das BVerfG einen Erwerber im Blick hatte, bei dem das erworbene Vermögen
Betriebsvermögen geblieben ist. Beim Erwerb eines Mitunternehmeranteils
bedeutet „fortführen“, dass auch der Erwerber Mitunternehmer geworden
sein muss (so BFH-Urteil in BFHE 224, 144, BStBl II 2009, 312, unter II.2.b).

b) Ist der Erwerber eines Anteils an einer
Personengesellschaft bereits vor dem Erwerb Gesellschafter der Gesellschaft
gewesen, geht der erworbene Anteil nach herkömmlicher Meinung in einer
einheitlichen Mitgliedschaft mit der bisherigen Beteiligung des Erwerbers auf
(vgl. dazu Koller in Koller/Roth/ Morck, Handelsgesetzbuch, Kommentar, 6. Aufl.
2007, § 124 Rz 2, m.w.N.). Daraus wird abgeleitet, dass der Erwerber
zwangsläufig Mitunternehmer auch bezüglich des in der einheitlichen Beteiligung
aufgegangenen Hinzuerwerbs wird (so Jülicher in Deutsches Steuerrecht –DStR
–1998, 1977, 1978).

Ob an dem Grundsatz der unteilbaren Mitgliedschaft eines Personengesellschafters
auch dann noch festgehalten werden kann, wenn sich der Schenker einen Nießbrauch
an dem zugewendeten Gesellschaftsanteil vorbehalten hat, ist jedoch fraglich.
Zur Wahrung der Rechte des Nießbrauchers ist die Meinung im Vordringen, dass
beim Erwerb eines nießbrauchsbelasteten Gesellschaftsanteils eine mehrfache
Beteiligung des erwerbenden Gesellschafters zugelassen werden müsse (so Ulmer
in Zeitschrift für das gesamte Handels- und Wirtschaftsrecht Bd. 167, S. 103,
114; Kanzleiter in Freundesgabe für Willi Weichler, 1997, S. 50; Karsten
Schmidt, Gesellschaftsrecht, 4. Aufl. 2002, § 45 I.2.b bb). Für den Erbenerwerb
eines der Testamentsvollstreckung unterliegenden Gesellschaftsanteils durch
einen zuvor schon an der Personengesellschaft Beteiligten hat bereits der
Bundesgerichtshof ausgesprochen, die Testamentsvollstreckung verhindere die uneingeschränkte
Vereinigung der bisher schon gehaltenen und der hinzuerworbenen Anteile (
Beschluss vom 10. Januar 1996 IV ZB 21/94, Zeitschrift für Erbrecht und Vermögensnachfolge
1996, 110, unter II.2.b).

c) Für die Anwendung des § 13a Abs. 4 Nr. 1 ErbStG kann
letztlich offen bleiben, ob auch beim Erwerb eines Gesellschaftsanteils unter
Nießbrauchsvorbehalt von der Unteilbarkeit der Mitgliedschaft abzurücken ist;
der Vorschrift ist nämlich nur Genüge getan, wenn die Mitunternehmerstellung
durch den erworbenen Gesellschaftsanteil vermittelt worden ist. Nur dann kann
angenommen werden, der erworbene Gesellschaftsanteil habe im Sinne eines
„Weiter- oder Fortführen des Betriebes“ durchgehend den Tatbestand
des § 13a Abs. 4 Nr. 1 ErbStG erfüllt. Es reichte daher nicht aus, wenn dem
Erwerber hinsichtlich des erworbenen Gesellschaftsanteils nur deshalb eine
Mitunternehmerstellung zukäme, weil er bereits Gesellschafter der
Personengesellschaft war, – d.h. wenn sich seine bisherige
Mitunternehmereigenschaft aufgrund der angenommenen Unteilbarkeit der Mitgliedschaft
auf den hinzuerworbenen Anteil erstrecken sollte. Dem BVerfG ging es nicht um
die Sozialgebundenheit des (Betriebs)Vermögens, das sich schon vor dem Erwerb
des Betriebs bzw. hier des Gesellschaftsanteils in der Hand des Erwerbers
befand (vgl. dazu BFH-Urteil in BFHE 215, 533, BStBl II 2007, 443, unter
II.2.b), sondern um die Sozialgebundenheit des übertragenen Vermögens. Hat der
Gesellschaftsanteil beim Übergang vom Schenker auf den Beschenkten seine
Fähigkeit verloren, kraft eigener Beschaffenheit dem neuen Inhaber eine Mitunternehmerstellung
zu vermitteln, fehlt es an einem durchgehend vorhandenen Gesellschaftsanteil
i.S. des § 13a Abs. 4 Nr. 1 ErbStG i.V.m. § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 und Abs. 3
EStG.

2. Im Streitfall ist der für M bestellte
Vorbehaltsnießbrauch so ausgestaltet, dass die Mitunternehmerstellung bezüglich
des übertragenen Kommanditanteils bei M verblieben und insoweit nicht auf die
Klägerin übergegangen ist. Damit fehlt es an einem durchgehend vorhandenen
Gesellschaftsanteil, der als solcher eine Mitunternehmerinitiative vermittelt.

Ein nach den Vorgaben des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB)
ausgestalteter Nießbrauch lässt die Mitunternehmerinitiative des
Nießbrauchsbestellers nicht entfallen (so BFH-Urteil vom 1. März 1994 VIII R
35/92, BFHE 175, 231, BStBl II 1995, 241, 245). Im Streitfall haben aber die
Vertragspartner über die Vorgaben des BGB hinaus bestimmt, dass die mit der
übertragenen Beteiligung an der KG verbundenen „Stimm- und
Verwaltungsrechte“ der M als Nießbraucherin zustehen sollen. Damit hat M
sich entgegen der Ansicht der Klägerin nicht nur die Ausübung der nach ihrem anteiligen
Festkapital zu ermittelnden Stimmrechte in laufenden Angelegenheiten vorbehalten
solche Rechte stehen einem Kommanditisten ohnehin nur begrenzt zu , sondern
auch im Bereich der Grundlagengeschäfte (vgl. zur Stimmrechtsproblematik: Karsten
Schmidt in Münchener Kommentar zum Handelsgesetzbuch, 2. Aufl., Bd. 3, 2007,
vor § 230 Rdnr. 21). Verfahren die Gesellschafter danach, ist dies ungeachtet der
Gesellschaftsrechtslage zumindest gemäß § 41 Abs. 1 der Abgabenordnung steuerrechtlich
beachtlich, zumal die Klägerin aufgrund ihrer schon zuvor gehaltenen Kommanditbeteiligung
an den Grundlagengeschäften mitwirken kann und muss. Sie ist durch den
Stimmrechtsvorbehalt zugunsten der M nicht von der Mitwirkung an den
Grundlagengeschäften ausgeschlossen. Die anderen vier stimmberechtigten Kommanditisten
der KG haben dazu im Rahmen der erforderlichen Zustimmung zur schenkweisen
Anteilsübertragung ihr Einverständnis erklärt.

 
Quicklink: uw110606