BFH, Urteil vom 15.09.2010, X R 13 / 09

 

Tatbestand

Die Kläger und Revisionsbeklagten (Kläger) sind Eheleute,
die in den Streitjahren 2001 bis 2003 zusammen zur Einkommensteuer veranlagt
wurden. Der Vater des Klägers übertrug diesem mit notariellem Vertrag vom 23.
Oktober 1998 (Übergabevertrag) im Wege der vorweggenommenen Erbfolge zum 1.
Januar 1999 das Eigentum an einem Grundstück sowie an dem auf dem Grundstück
befindlichen Bäckereibetrieb. Im Gegenzug verpflichtete sich der Kläger, seinen
Eltern jeweils zum ersten eines Monats eine monatliche Rente in Höhe von 4.000
DM ab dem 1. Februar 1999 zu bezahlen. Im Übergabevertrag war die
Abänderbarkeit der Rente gemäß § 323 der Zivilprozessordnung (ZPO) vorgesehen.
Im Grundbuch wurde eine abänderbare Reallast eingetragen.

Der Kläger führte den Bäckereibetrieb im Rahmen einer GmbH
fort und vermietete dieser die betrieblichen Grundstücke. Die monatliche Pacht
betrug bis Ende des Jahres 2001 44.080 DM. Wegen der schlechten Ertragslage des
Bäckereibetriebs wurde die Pacht ab 2002 auf 16.000 € monatlich vermindert.
Zwischen dem Streitjahr 2003 und dem Jahr 2005 traf der Kläger weitere Maßnahmen
zur Reduzierung der Ausgaben des Bäckereibetriebs (z.B. Wegfall des
Weihnachtsgelds und freiwilliger Lohnzuschläge, Schließung einzelner Filialen,
Minderung der Pacht angemieteter Ladengeschäfte). Mit den Banken vereinbarte er
eine Tilgungsaussetzung. Sein Geschäftsführergehalt (2001 111.600 DM; 2002
55.224 €; 2003 57.480 €) wurde ab Juli 2004 auf 1.600 € monatlich gekürzt.

In den Streitjahren 2001 bis 2003 leistete der Kläger
folgende Rentenzahlungen:

Rate 2001 Betrag in DM 2002 Betrag in € 2003 Betrag in €
Januar 19.01.01 4.000 21.01.02 2.045,17
Februar 29.01.01 4.000 22.02.02 2.045,17
März 27.02.01 1.000
April 01.04.01 4.000
Mai 30.04.01 4.000
Juni 16.05.01 4.000
Juli
August 16.08.01 4.000 31.07.03 2.045,17
September 28.08.03 2.045,17
Oktober 12.10.01 4.000 29.09.03 2.045,17
November 30.10.01 4.000 31.10.03 2.045,17
Dezember 29.11.01 4.000 11.12.03 2.045,17
Summe 37.000 4.090,34 10.225,85

Die GmbH und das Vermietungseinzelunternehmen erzielten in
den Streitjahren folgende – um die Absetzung für Abnutzung (AfA) und den
Erhaltungsaufwand korrigierte – Ergebnisse:

GmbH Vermietungseinzelunternehmen
Jahr Ergebnis in € Ergebnis in €
2001 + 69.205 + 156.563
2002 + 15.769 + 104.544
2003 + 36.175 + 105.645

In ihren Einkommensteuererklärungen machten die Kläger die
Rentenzahlungen, die sie teilweise überwiesen und teilweise bar geleistet
hatten, als Sonderausgaben nach § 10 Abs. 1 Nr. 1a des Einkommensteuergesetzes
(EStG) in der in den Streitjahren gültigen Fassung geltend.

Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt –FA–)
erkannte lediglich Rentenzahlungen in Höhe von 24.000 DM für die Monate Januar
bis Juni 2001 als Sonderausgaben an und versagte für die Streitjahre 2002 und
2003 den Sonderausgabenabzug vollständig. Die Einsprüche der Kläger hiergegen
blieben erfolglos.

Das Finanzgericht (FG) gab der Klage statt. Zur Begründung
führte es im Wesentlichen aus, die Versorgungsleistungen der zweiten
Jahreshälfte 2001 sowie die Zahlungen im Januar und Februar 2002 seien trotz
der Abweichung von den Vereinbarungen im Versorgungsvertrag als Sonderausgaben
abziehbar. Der Kläger habe die Rente in den Jahren 1999 und 2000 vollständig
und zeitnah bezahlt. Die vereinzelte Nichtzahlung der Rente in den Jahren 2001
und 2002 sei durch die finanziell verschlechterte betriebliche Lage der
Bäckerei bedingt und daher nicht willkürlich. Zudem könne vernachlässigt
werden, dass die Zahlungen gelegentlich verspätet geleistet worden seien. Auch
die Versorgungsleistungen für die Monate August bis Dezember 2003 seien als
Sonderausgaben zu berücksichtigen. Zwar habe bei Übergabe des Vermögens im Jahr
1998/1999 ein Versorgungsvertrag nach dem sog. Typus 2 vorgelegen, da der
Ertrag des von den Eltern übergebenen Vermögens nicht zur Deckung der
Versorgungsleistungen ausgereicht habe. Die Wiederaufnahme der Zahlungen ab
August 2003 sei jedoch wegen der völligen Einstellung der Zahlungen im Vorjahr
als Vertragsänderung anzusehen. Der Kläger habe sich mit seinen Eltern auf ein
neues Vertragskonzept geeinigt und beschlossen, nach der begonnenen Sanierung
die Rentenzahlungen in der ursprünglich vereinbarten Höhe wieder aufzunehmen.
Deshalb sei zum Zeitpunkt der Wiederaufnahme der Zahlungen eine neue
Ertragsprognose zu stellen. Diese falle zugunsten des Klägers aus, da die
Rentenzahlungen aus dem Betriebsergebnis der GmbH und des Vermietungsunternehmens
hätten bedient werden können.

Mit seiner Revision rügt das FA die Verletzung des § 10 Abs.
1 Nr. 1a i.V.m. § 12 EStG. Es liege ein Übergabevertrag nach dem sog. Typus 2
vor. Die Versorgungsleistungen seien nicht durch die laufenden Nettoerträge des
übernommenen Vermögens gedeckt. Daher seien die in den Jahren 2001 und 2002
gezahlten Renten nicht als dauernde Last abziehbar, sondern stellten
Unterhaltsleistungen oder Leistungen aufgrund freiwillig begründeter
Rechtspflicht i.S. des § 12 EStG dar. Zwar habe es –das FA– sich auf Antrag des
Klägers im Einspruchsverfahren damit einverstanden erklärt, dass im Streitfall
die Grundsätze des Schreibens des Bundesministeriums der Finanzen (BMF) vom 26.
August 2002 IV C 3 -S 2255- 420/02 (BStBl I 2002, 893) weiter anzuwenden seien,
weil die Eltern dem Kläger eine existenzsichernde und ihrem Wesen nach
ertragbringende Wirtschaftseinheit –wenn auch ohne ausreichende Erträge–
überlassen hätten (vgl. hierzu Tz 74 des BMF-Schreibens vom 16. September 2004 IV C 3 -S 2255-
354/04, BStBl I 2004, 922). Nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs
–BFH– (vgl. z.B. Senatsbeschluss vom 15. November 2006 X B 11/06, BFH/NV 2007,
209) habe das FG diese auf Billigkeitsgründen beruhende Übergangsregelung aber
nicht anwenden dürfen.

Die ursprünglich zwischen den Parteien des
Vermögensübergabevertrags getroffenen Vereinbarungen seien nicht wie unter
fremden Dritten durchgeführt worden. Ein Fremder hätte nicht die völlige
Aussetzung der Zahlungen hingenommen, sondern allenfalls eine Minderung
akzeptiert. Hinzu komme, dass der Kläger auch mit fremden Gläubigern
(Arbeitnehmern, Vermietern) und sich selbst (als Vermieter und Geschäftsführer)
nur eine Minderung der ursprünglich vereinbarten Zahlungsansprüche vereinbart
habe. Fremde Dritte hätten zudem auch bei einer Sanierungsbedürftigkeit des
übertragenen Betriebs im Voraus klare, eindeutige und einklagbare
Vereinbarungen über den Charakter der Aussetzung (endgültiger Erlass oder nur
vorübergehende Stundung) sowie über deren vorgesehene Dauer bzw. über eine
Wiederaufnahme der Zahlungen getroffen. Die Bezugnahme auf § 323 ZPO im
Übergabevertrag hätte allenfalls eine Minderung der künftigen Leistungen
gerechtfertigt.

In den letzten drei Jahren vor Betriebsübergabe habe der
Durchschnittsgewinn des Einzelunternehmens des Vaters des Klägers 113.000 DM
betragen. Dieser Gewinn hätte zwar ausgereicht, um die Zahlung der zugesagten
Altenteilsleistungen in Höhe von 48.000 DM zu ermöglichen. Da der Vater jedoch
noch vor der Betriebsübergabe am 1. Januar 1999 erhebliche Beträge in neue
Maschinen und Geräte investiert habe, seien die früheren Betriebsergebnisse für
Prognosezwecke um die bereits absehbaren Finanzierungskosten zu bereinigen. Der
bisherige Durchschnittsertrag wäre davon aufgezehrt worden, während die
erhoffte Steigerung der Umsätze und des Gewinns völlig ungewiss gewesen und
auch nicht eingetreten sei. Deshalb habe das FG den Übergabevertrag zutreffend
dem sog. Typus 2 zugeordnet.

Die Anerkennung der im Jahr 2003 wiederaufgenommenen
Rentenzahlungen als Sonderausgaben stehe in Widerspruch zur Rechtsprechung des
BFH zur willkürlichen Aussetzung und Wiederaufnahme von Zahlungen (vgl.
Senatsurteil vom 3. März 2004 X R 14/01, BFHE 205, 261, BStBl II 2004, 826).
Aus dem Senatsurteil vom 13. Dezember 2005 X R 61/01 (BFHE 212, 195, BStBl II
2008, 16) könne nicht gefolgert werden, dass nach jeder Vertragsänderung eine
erneute Ertragsprognose anzustellen sei und ursprünglich wegen ihrer Zuordnung
zum sog. Typus 2 nicht als Sonderausgaben abziehbare Zahlungen für die Zukunft
steuerlich anzuerkennen seien.

Das Finanzamt beantragt,

das erstinstanzliche Urteil aufzuheben und die Klage
abzuweisen.

Die Kläger beantragen,

die Revision zurückzuweisen.

Die Entscheidung des FG stehe in Einklang mit der
Rechtsprechung des BFH und enthalte keinen Rechtsanwendungsfehler.

 

 

 

 

Gründe

Die Revision ist teilweise begründet. Sie führt zur
Aufhebung des FG-Urteils und zur Abweisung der Klage (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1
der Finanzgerichtsordnung –FGO–), soweit das FG die wiederkehrenden Zahlungen
der Kläger in Höhe von 10.225,85 € im Streitjahr 2003 als Sonderausgaben
anerkannt hat. Keinen Erfolg hat die Revision des FA, soweit sie die
Streitjahre 2001 und 2002 betrifft.

1. Als Sonderausgaben abziehbar sind die auf besonderen
Verpflichtungsgründen beruhenden Renten und dauernden Lasten, die nicht mit
Einkünften in wirtschaftlichem Zusammenhang stehen, die bei der Veranlagung
außer Betracht bleiben (§ 10 Abs. 1 Nr. 1a EStG). Hierzu hat die Rechtsprechung
des BFH im Wesentlichen die folgenden Grundsätze entwickelt:

a) Nach Maßgabe des § 12 EStG sind nicht abziehbar u.a.
freiwillige Zuwendungen und Zuwendungen aufgrund einer freiwillig begründeten
Rechtspflicht (§ 12 Nr. 2 EStG). Dies gilt auch für die im Einleitungssatz des
§ 12 EStG nicht erwähnten Renten und dauernden Lasten (§ 10 Abs. 1 Nr. 1a
EStG), soweit diese –außerhalb der für die Vermögensübergabe geltenden
Sonderregelung– Unterhaltsleistungen oder Leistungen aufgrund freiwillig
begründeter Rechtspflicht sind (Senatsurteil vom 27. Februar 1992 X R 139/88,
BFHE 167, 381, BStBl II 1992, 612).

b) Die steuerrechtliche Behandlung der Versorgungsleistungen
als dauernde Last/wiederkehrende Bezüge „beruht auf dem Umstand, dass sich der Vermögensübergeber
in Gestalt der Versorgungsleistungen typischerweise Erträge seines Vermögens
vorbehält, die nunmehr allerdings vom Vermögensübernehmer erwirtschaftet werden
müssen“ (Beschluss des Großen Senats des BFH vom 5. Juli 1990 GrS 4-6/89, BFHE
161, 317, BStBl II 1990, 847). Dem liegt nach dem Beschluss des Großen Senats
des BFH vom 12. Mai 2003 GrS 1/00 (BFHE 202, 464, BStBl II 2004, 95) die
normleitende Vorstellung zugrunde, dass der Übergeber das Vermögen –ähnlich wie
beim Nießbrauchsvorbehalt– ohne die vorbehaltenen Erträge, die nunmehr als
Versorgungsleistungen zufließen, übertragen hat. Maßgebendes Kriterium für die
Frage, ob ein Wirtschaftsgut Gegenstand einer Vermögensübergabe gegen
Versorgungsleistungen sein kann, ist, so der Große Senat, „die Vergleichbarkeit
mit dem Vorbehaltsnießbrauch. Die Vermögensübergabe muss sich so darstellen,
dass die vom Übernehmer zugesagten Leistungen –obwohl sie von ihm
erwirtschaftet werden müssen– als zuvor vom Übergeber vorbehaltene
–abgespaltene– Nettoerträge vorstellbar sind“. Dies ist für die Abziehbarkeit
und materiell-rechtlich korrespondierend für die Steuerbarkeit der privaten
Versorgungsrente konstituierend (Senatsurteil vom 16. Juni 2004 X R 50/01 BFHE
207, 114, BStBl II 2005, 130, unter II.1.b der Gründe).

2. Die Annahme des FG, der im Oktober 1998 geschlossene
Übergabevertrag sei dem sog. Typus 2 (sog. 1. Rentenerlass vom 23. Dezember
1996 IV B 3 -S 2257- 54/96, BStBl I 1996, 1508; Anerkennung als
Versorgungsleistungen bei deren mindestens 50 %iger Deckung durch das
übertragene Vermögen) zuzuordnen, ist rechtsfehlerhaft.

a) Im Streitfall greift die vom Großen Senat in BFHE 202,
464, BStBl II 2004, 95 (unter C.II.6.d bb) formulierte „Beweiserleichterung“.
Danach besteht bei der Übertragung eines gewerblichen Unternehmens gegen wiederkehrende
Bezüge im Zuge der vorweggenommenen Erbfolge eine nur in seltenen
Ausnahmefällen widerlegliche Vermutung dafür, dass die Beteiligten im Zeitpunkt
der Übertragung angenommen haben, der Betrieb werde auf Dauer ausreichende
Gewinne erwirtschaften, um die wiederkehrenden Leistungen abzudecken. Das FG
hat keinerlei Feststellungen getroffen, die diese Beweiserleichterung
entkräften könnten. Vielmehr reichte der in den Jahren vor der
Vermögensübergabe erzielte Durchschnittsgewinn des Einzelunternehmens des
Vaters des Klägers zur Erfüllung der Versorgungsleistungen selbst dann aus,
wenn er nicht –wie von den Klägern im finanzgerichtlichen Verfahren
vorgetragen– bei ca. 300.000 DM, sondern bei 113.000 DM jährlich –so die
Einlassung des FA in der Revisionsbegründungsschrift– gelegen hätte. Werden
–wie vom FA in der Revisionsbegründung berechnet– für Prognosezwecke die
jährlichen Mehrbelastungen des Besitzunternehmens berücksichtigt, die aus den
fremdfinanzierten Investitionen zwischen dem Abschluss des Übergabevertrags (23.
Oktober 1998) und dem Tag der Betriebsübergabe (1. Januar 1999) resultieren, ist
diesen die Ertragssteigerung entgegenzusetzen, die die Investitionen nach Auffassung
der Beteiligten zur Folge haben sollten. Dass die erhoffte Steigerung der Umsätze
und Gewinne nicht sicher war und tatsächlich auch nicht eingetreten ist, ändert
hieran schon deshalb nichts, weil die Versorgungsleistungen selbst in den
Streitjahren 2001 bis 2003 nach den Feststellungen des FG (vgl. die Entscheidungsgründe
unter 2.b) trotz der finanziellen Schwierigkeiten in diesen Jahren aus dem
Ertragsüberschuss des Besitz- und des Betriebsunternehmens hätten bedient
werden können. Im Übrigen rechnet nach der Rechtsprechung bei der Übertragung
einer wesentlichen Beteiligung an einer Kapitalgesellschaft auch die
Tätigkeitsvergütung für die Geschäftsführung zum erzielbaren Nettoertrag des überlassenen
Vermögens (Senatsurteil vom 21. Juli 2004 X R 44/01, BFHE 207, 179, BStBl II
2005, 133). Nichts anderes kann gelten in Fällen, in denen der Vermögensübergeber
ein Einzelunternehmen überträgt, der Vermögensübernehmer dieses als GmbH
fortführt und ein Geschäftsführergehalt bezieht.

b) Der Senat ist an die vom FG vorgenommene Wertung des
Versorgungsvertrags (Typus 2 im Zeitpunkt der Vermögensübergabe) nicht
gebunden. Zwar gehört die Auslegung von Verträgen grundsätzlich zum Bereich der
tatsächlichen Feststellungen i.S. des § 118 Abs. 2 FGO. Die Bindungswirkung
entfällt jedoch, wenn die Auslegung des FG anerkannte Auslegungsregeln,
Denkgesetze oder Erfahrungssätze verletzt (BFH-Urteil vom 23. Januar 2003 IV R
75/00, BFHE 201, 278, BStBl II 2003, 467, m.w.N.). Das FG hat im Streitfall den
Versorgungsvertrag nicht ausgelegt. Es hat aus dem Umstand, dass der
Ertragsüberschuss der Jahre 2001 bis 2003 die Versorgungsleistungen deckt,
lediglich gefolgert, die neue Ertragsprognose im Jahr 2003 falle zugunsten der
Kläger aus (Entscheidungsgründe des FG unter 2.b). Es hat nicht geprüft, ob die
übereinstimmende Einschätzung der Kläger und des FA, bei Vertragsschluss habe
ein Übergabevertrag des sog. Typus 2 vorgelegen, zutreffend ist.

3. Zu Recht hat das FG die in der zweiten Jahreshälfte 2001
und im Januar bzw. Februar 2002 gezahlten wiederkehrenden Leistungen als
Sonderausgaben anerkannt.

a) Zutreffend ging das FG davon aus, dass die vereinbarten
Leistungen als abänderbar anzusehen sind. Da im Versorgungsvertrag auf § 323
ZPO Bezug genommen wurde, konnten die Beteiligten den Vertrag und damit auch
die Höhe der wiederkehrenden Leistungen nicht nur im Hinblick auf eine
veränderte Bedarfslage der Berechtigten, sondern auch auf eine verbesserte bzw.
verschlechterte Leistungsfähigkeit des Verpflichteten anpassen.

b) Unschädlich ist im Streitfall, dass der Kläger und seine
Eltern die Abweichung des tatsächlich Vollzogenen vom Vereinbarten nicht
dokumentiert haben.

aa) Zwar ist nach § 761 des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB)
zur Gültigkeit eines Vertrags, durch den eine Leibrente versprochen wird, die schriftliche
Erteilung des Versprechens (ggf. auch in elektronischer Form) erforderlich. Änderungen
der Verpflichtungsermächtigung bedürfen der Form jedoch nur bei Verpflichtungserweiterungen
(Erman/M. Terlau, BGB, 12. Aufl., § 761 Rz 1); nachträgliche Einschränkungen
oder bloße Erläuterungen unterliegen nicht dem Formerfordernis (Staudinger/
Jörg Mayer (2008), § 761 Rz 4).

bb) Das FG hat nicht festgestellt, ob die Vertragsparteien
im Übergabevertrag geregelt haben, dass Vertragsänderungen formbedürftig sind.
Der Senat muss das Verfahren aus diesem Grund jedoch nicht zurückverweisen.
Vertragsparteien können einen vereinbarten Formzwang jederzeit aufheben. Als
actus contrarius zur formfreien Begründung des Formzwangs ist die Aufhebung der
Formabrede gleichfalls formfrei (Erman/H. Palm, a.a.O., § 125 Rz 8;
Palandt/Ellenberger, Bürgerliches Gesetzbuch, 69. Aufl., § 125 Rz 19; vgl. auch
BFH-Urteil vom 20. April 1999 VIII R 81/94, BFH/NV 1999, 1452). Selbst wenn im
Streitfall im Übergabevertrag die Formbedürftigkeit einer Vertragsänderung
vereinbart sein sollte, müsste von deren stillschweigender Aufhebung
ausgegangen werden, da die Parteien nach den Feststellungen des FG die
Maßgeblichkeit der mündlichen Vereinbarung zur zeitweisen Aussetzung der Versorgungsleistungen
übereinstimmend gewollt haben.

cc) Versorgungsleistungen sind nach der gesetzlichen
Systematik (Einleitungssatz des § 10 Abs. 1 EStG) stets privat veranlasst. Der
Bezugsberechtigte erhält Unterhaltsleistungen (vgl. § 22 Nr. 1a EStG), die im
Anwendungsbereich der privaten Versorgungsrente (§ 10 Abs. 1 Nr. 1a EStG)
steuerlich begünstigt sind. Bei Abweichungen vom Vereinbarten ist deshalb stets
zu prüfen, ob die Aussetzung und anschließende Wiederaufnahme der Zahlungen,
aber auch Schwankungen in der Höhe des Zahlbetrags durch eine Änderung der
Verhältnisse gerechtfertigt oder willkürlich ist. Diese Prüfung setzt voraus
bzw. wird jedenfalls erleichtert, wenn die Vertragsparteien die Aussetzung oder
Änderung der Höhe der Versorgungsleistungen schriftlich niederlegen und
begründen (Änderung des Versorgungsbedürfnisses/Änderung des Nettoertrags). Der
Senat hält es deshalb für geboten, dass künftig über das Formerfordernis in §
761 BGB hinaus auch nachträgliche Einschränkungen der Rentenverpflichtung
schriftlich belegt werden. Andernfalls können derartige mündliche oder
konkludente Vereinbarungen, die nach Bekanntwerden dieser Entscheidung
getroffen worden sind, steuerlich nicht mehr berücksichtigt werden. Eine
schriftliche Fixierung der Änderungen des Versorgungsvertrags ermöglicht es im
Übrigen den Beteiligten auch, bei Meinungsverschiedenheiten den Inhalt der abweichenden
Regelung nachzuweisen.

dd) Dem stehen die Rechtsprechungsgrundsätze zur
steuerlichen Anerkennung von Verträgen unter nahen Angehörigen nicht entgegen,
wonach u.a. Verträge lediglich bürgerlich-rechtlich wirksam vereinbart, also
nicht in jedem Fall schriftlich abgefasst werden müssen. Im Unterschied zu
Miet- oder Arbeitsverträgen unter nahen Angehörigen liegen einem
Versorgungsvertrag keine „entgeltlichen“ Leistungen zugrunde; der
Versorgungsvertrag wird nicht nach dem Wert von Leistung und Gegenleistung
ausgehandelt. Die Änderung eines Versorgungsvertrags ist steuerrechtlich daher
nur anzuerkennen, wenn die veränderte Bedarfslage des Berechtigten oder eine
verbesserte bzw. verschlechterte Leistungsfähigkeit des Verpflichteten dies
erfordert. Diese Voraussetzungen müssen für eine spätere Überprüfung
festgehalten werden. So kann auch ein ertragloses Wirtschaftsgut nur dann
Gegenstand einer Vermögensübergabe gegen Versorgungsleistungen sein, wenn sich
der Übernehmer im Übergabevertrag –und damit schriftlich– zur Veräußerung des
übertragenen Objekts und zum Erwerb einer ihrer Art nach bestimmten
Vermögensanlage verpflichtet (Beschluss des Großen Senats des BFH in BFHE 202,
464, BStBl II 2004, 95, unter C.II.6.a).

c) Den Abzug der in der zweiten Jahreshälfte 2001 und in den
Monaten Januar und Februar 2002 gezahlten Versorgungsleistungen als
Sonderausgaben hindert nicht eine fehlende Fremdüblichkeit.

aa) Die Funktion des anzustellenden Fremdvergleichs in
Fällen der Vermögensübergabe gegen Versorgungsleistungen unterscheidet sich von
derjenigen des Fremdvergleichs bei sonstigen Vertragsverhältnissen zwischen Angehörigen:
Bei Letzteren geht es um die Frage, ob eine Vereinbarung in dem
einkommensteuerrechtlich vorausgesetzten sachlichen Zusammenhang mit der Erzielung
von Einkünften (§ 2 Abs. 1, § 4 Abs. 4, § 9 Abs. 1 Satz 1 EStG) oder mit dem
nach § 12 EStG unbeachtlichen privaten Bereich steht (BFH-Urteil vom 28. Juni 2002
IX R 68/99, BFHE 199, 380, BStBl II 2002, 699).

bb) Diese Zuordnungsentscheidung entfällt bei der
Anerkennung einer dauernden Last, da diese nach der gesetzlichen Systematik
ohnehin stets privat veranlasst ist (vgl. oben II.3.b cc). Hier sollen durch
den Fremdvergleich Versorgungsverträge, denen beide Parteien –durch äußere
Merkmale erkennbar– rechtliche Bindungswirkung beimessen, von Vereinbarungen
abgegrenzt werden, die zwar der äußeren Form nach als bindend erscheinen, für
die Parteien selbst jedoch den Charakter der Beliebigkeit haben und von denen
sie nur Gebrauch machen, wenn es ihnen opportun erscheint (Senatsurteil in BFHE
205, 261, BStBl II 2004, 826). Entscheidend ist deshalb, ob die
Vertragsparteien mit dem erforderlichen Rechtsbindungswillen handeln.

cc) Im Streitfall haben die Kläger im Zeitraum zwischen Juli
2001 bis einschließlich Februar 2002 in zwei Monaten (Juli 2001 und September
2001) keine Versorgungsleistungen erbracht. Angesichts der Tatsache, dass im
Übergabevertrag auf § 323 ZPO Bezug genommen wurde und den wirtschaftlichen
Schwierigkeiten Zugeständnissen Dritter (Vermieter, Arbeitnehmer, ab 2004 auch
der Banken) führte, lässt diese Abweichung vom vertraglich Vereinbarten nicht
den Schluss zu, die Parteien hätten ihren vertraglichen Pflichten insgesamt
nicht mehr nachkommen wollen.

(1) Der Senat hat im Hinblick auf den Rechtsbindungswillen
bei Vermögensübergabe- und Versorgungsverträgen bereits in seinem
Vorlagebeschluss an den Großen Senat des BFH vom 10. November 1999 X R 46/97
(BFHE 189, 497, BStBl II 2000, 188, unter II.) die Auffassung vertreten,
lediglich die Unregelmäßigkeit der Zahlungen hindere für sich allein die
Anerkennung einer dauernden Last nicht.

(2) Auch wenn in einer finanziell schwierigen Situation des
übergebenen Unternehmens einzelne Versorgungsleistungen ausgesetzt
werden, ist nach Auffassung des Senats nicht der Schluss gerechtfertigt, die
Parteien würden dem Versorgungsvertrag keine rechtliche Bindungswirkung mehr
beimessen. Solange in solchen Fällen der Übernehmer seine –sich aus dem Sinn
und Zweck des Versorgungsvertrags ergebende– Hauptpflicht, nämlich die
Sicherung des finanziellen Unterhalts des Vermögensübergebers, erfüllt, sind
die geleisteten Rentenzahlungen als Sonderausgaben abziehbar.

4. Zu Unrecht hat das FG jedoch die ab August 2003 gezahlten
wiederkehrenden Leistungen in Höhe von 10.225,85 € als Sonderausgaben
anerkannt.

Mag der Kläger auch subjektiv der Meinung gewesen sein, die
Versorgungsleistungen zwischen März 2002 und Juli 2003 nicht erbringen zu
können, ohne den Bestand des übernommenen Vermögens zu gefährden, stehen dieser
Annahme doch die objektiven Zahlen entgegen. Nach den Feststellungen des FG
überstiegen die Nettoerträge der GmbH und des Vermietungseinzelunternehmens in
allen Streitjahren die Versorgungsleistungen. Hinzu kommt, dass auch die
Tätigkeitsvergütung als GmbH-Geschäftsführer zum erzielbaren Nettoertrag des
überlassenen Vermögens rechnet. Der Kläger selbst hat bis 2004 keine
Vermögenseinbuße in Form eines Gehaltsverzichts als Geschäftsführer der GmbH
erbracht. Dieses Verhalten lässt darauf schließen, dass er sich nicht mehr an
den Versorgungsvertrag gebunden fühlte. Ein am Versorgungsvertrag festhaltender
Vermögensübernehmer würde die Versorgungszahlungen nicht über einen so langen
Zeitraum (insgesamt 17 Monate) vollkommen aussetzen und so die Versorgung
desjenigen gefährden, der ihm Vermögen –wirtschaftlich betrachtet– jedenfalls
teilweise unentgeltlich übertragen hat. Würde man die Zahlungen steuerlich berücksichtigen,
stünde es im Belieben der Vertragsparteien eines Vermögensübergabevertrags, in
welchem Umfang sie den Vertrag als bindend anerkennen und erfüllen wollen.

Auch wenn die Beteiligten den Versorgungsvertrag ab August
2003 stets vertragsgerecht erfüllt haben sollten (nach dem Vortrag des FA
wurden jedenfalls auch im Jahr 2004 zwei Rentenzahlungen nicht erbracht), kommt
eine Rückkehr zum vertragsgerechten Verhalten nach einer Phase einer
schwerwiegenden Abweichung vom Vereinbarten nicht in Betracht (so auch
BMF-Schreiben vom 11. März
2010 IV C 3 – S 2221/09/10004, BStBl I 2010, 227, Tz 63, bzw. in BStBl I 2004,
922, Tz 39). Das gravierende vertragswidrige Verhalten während eines
längeren Zeitraums (im Streitfall 17 Monate) zeigt den fehlenden Rechtsbindungswillen
der Parteien und lässt den Übergabevertrag als Ganzes deshalb nicht unberührt
(a.A. Schönfelder, Zeitschrift für Erbrecht und Vermögensnachfolge 2005, 223).
Erfüllt der Übernehmer in späteren Jahren die vereinbarten Versorgungsleistungen
vertragsgemäß, sind deshalb auch diese Aufwendungen nicht als Sonderausgaben
abziehbar. Andererseits hat der Vermögensübergeber, der über einen längeren
Zeitraum vertragswidrig keine Versorgungsleistungen erhalten hat, auch bei
Wiederaufnahme der Zahlungen keine sonstigen Einkünfte zu versteuern.
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