BFH, Urteil vom 12.06.2013, I R 109 – 111 / 10

Gründe

 

 

I.

 

 

1

 

 

Bei den Klägern und Revisionsbeklagten (Kläger) handelt es sich um die Eltern und um deren Sohn. Die Eltern, der Kläger zu 2. und die Klägerin zu 2./3., sind Eheleute, die im Streitjahr 2002 zusammen zur Einkommensteuer veranlagt wurden. Im Streitjahr 2001 wurde die Klägerin zu 2./3. antragsgemäß getrennt veranlagt. Streitjahre der Einkommensteuerveranlagungen des Sohnes, des Klägers zu 1., sind 2001 bis 2005.

 

 

2

 

 

Die Kläger hatten im Jahre 2000 –zusammen mit einem weiteren Sohn bzw. Bruder– je 25 Gesellschaftsanteile für jeweils 300.000 DM (= 153.387,56 ?) an einer spanischen Kapitalgesellschaft (C-S.L.) erworben. In deren Eigentum stand ein 1.000 qm großes, in Porto Andratx auf Mallorca belegenes Grundstück, das von dem Voreigentümer der Gesellschaftsanteile mit einem 160 qm großen Einfamilienhaus mit Schwimmbad bebaut war. Im März und im April des Streitjahres 2002 verkauften die Kläger zu 2. ihre Anteile an der C-S.L. je zur Hälfte an ihre beiden Söhne. Nach Mitteilung des steuerlichen Beraters des Voreigentümers war die C-S.L. im Jahr 2001 von der spanischen Finanzbehörde geprüft und ihr im Ergebnis bestätigt worden, dass sie für die Jahre 1999 bis 2001 mangels angefallener Gewinne keine Steuern zu zahlen habe.

 

 

3

 

 

Das Grundstück stand den Klägern ganzjährig zur Verfügung. Sie nutzten es in den Streitjahren bei verschiedenen Aufenthalten zu eigenen Wohnzwecken. Ein Entgelt entrichteten sie dafür nicht. Dritten wurde das Objekt nicht überlassen. Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt –FA–) behandelte die unentgeltliche Nutzungsüberlassung der Immobilie als verdeckte Gewinnausschüttung (vGA). Auch wenn die Gesellschaft in Spanien von Beginn an mangels auf Gewinnerzielung gerichteter Tätigkeit keiner Einkommensbesteuerung unterliegen möge, schließe dies eine Vorteilszuwendung an den Anteilseigner, die zu inländischen Einkünften aus Kapitalvermögen führe, nicht aus. Bei der Bewertung des Vorteils sei nach der Lage und Ausstattung des Objekts die Kostenmiete in Höhe von 6 v.H. des notariell beurkundeten Kaufpreises in Höhe von 1.200.000 DM zzgl. eines Gewinnzuschlags in Höhe von 10 v.H., also rd. 8.000 DM, somit ein Jahresbetrag in Höhe von rd. 80.000 DM (= 40.903 ?) anzusetzen. Für das Streitjahr 2001 entfalle damit auf den Kläger zu 1. und die Klägerin zu 2./3. ein Betrag in Höhe von jeweils [80.000 DM x 1/4 x 9/12 =] 15.000 DM, für das Streitjahr 2002 auf den Kläger zu 1. ein Betrag in Höhe von ([40.903 ? x 1/4 x 3/12 =] 2.556 ? + [40.903 ? x 1/2 x 9/12 =] 15.338 ?) = 17.894 ? und auf die Klägerin zu 2./3. ein Betrag von [40.903 ? x 1/4 x 3/12 =] 2.556 ? und für die Streitjahre 2003 bis 2005 auf den Kläger zu 1. in Höhe von jeweils [40.903 ? x 1/2 =] 20.451 ?. Dementsprechend wurden die Einkommensteuern für die Streitjahre unter Änderung der vorherigen Steuerbescheide festgesetzt; die geänderten Steuerbescheide des Klägers zu 1. für 2001 bis 2003 sowie der Klägerin zu 2./3. für 2001 ergingen gemäß § 173 Abs. 1 Nr. 1 der Abgabenordnung (AO), im Übrigen nach § 164 Abs. 2 AO. Dagegen wandten die Kläger sich mit Einsprüchen.

 

 

4

 

 

Vorangegangen waren Außenprüfungen bei dem Voreigentümer der C-S.L. und sodann auch bei dem Kläger zu 1. und der Klägerin zu 2./3., nachdem im Rahmen der Außenprüfung bei dem Voreigentümer die Veräußerung der Anteile bekannt geworden war. Auf entsprechende Aufforderung des FA hatten die Kläger daraufhin die bislang unterbliebenen Anzeigen gemäß § 138 Abs. 2 Nr. 3 AO abgegeben. Der Prüfer, der den Voreigentümer geprüft hatte, äußerte aufgrund „vertraulicher Informationen“ den –allerdings nicht belegten– Verdacht, dass jener mit den Klägern zu 2. einen Kaufpreis vereinbart habe, der doppelt so hoch gewesen sei wie der tatsächlich beurkundete Kaufpreis. Der Differenzbetrag sei von einem Konto der Kläger zu 2. in der Schweiz auf ein ebenfalls in der Schweiz geführtes Konto des Voreigentümers überwiesen worden.

 

 

5

 

 

Nach Eingang berichtigter Angaben zu den für 1997 bis 2006 erklärten Einkünften aus Kapitalvermögen im Hinblick auf ein bei einem Züricher Bankhaus unterhaltenes Depot sah sich der Prüfer in seiner Annahme bestätigt. Dafür spreche zum einen ein deutlicher Rückgang der nacherklärten Zinserträge von 1999 bis 2001 um rd. 45.000 DM. Zum anderen habe die Klägerin zu 2./3. Schenkungen an ihre Söhne im März 2000 in Höhe von rd. 173.840 ? und im März/April 2002 in Höhe von jeweils 153.387 ? nacherklärt. Das FA teilte den Klägern daraufhin mit, dass es beabsichtige, im Rahmen der Einspruchsverfahren die Kostenmiete nunmehr mit einem Jahresbetrag in Höhe von 152.000 DM (6 v.H. von 2.400.000 DM zzgl. Gewinnzuschlags in Höhe von 8.000 DM) anzusetzen. Die vGA wurden auf dieser Basis gegenüber dem Kläger zu 1. für die Streitjahre 2004 und 2005 auf jeweils 38.858 ? und gegenüber der Klägerin zu 2./3. für das Streitjahr 2002 auf 4.857 ? erhöht. Für die Streitjahre 2001 (Kläger zu 1. und Klägerin zu 2./3.) sowie 2002 (Kläger zu 1.) blieb es bei den ursprünglich ermittelten Beträgen.

 

 

6

 

 

Die Klagen gegen die hiernach festgesetzten Einkommensteuern waren erfolgreich. Ihnen wurde vom Finanzgericht (FG) Düsseldorf durch Urteile vom 29. Oktober 2010 3 K 1342/09 E, 3 K 1347/09 E sowie 3 K 1239/09 E, letzteres abgedruckt in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2011, 556, stattgegeben.

 

 

7

 

 

Das FA stützt seine –zunächst bis zum Jahre 2012 unter den Aktenzeichen VIII R 45/10, VIII R 46/10 und VIII R 47/10 beim Bundesfinanzhof (BFH) anhängigen– Revisionen auf Verletzung materiellen Rechts. Es beantragt,

 

 

die angefochtenen Urteile aufzuheben und die Klagen abzuweisen.

 

 

8

 

 

Die Kläger beantragen,

 

 

die Revisionen zurückzuweisen.

 

II.

 

9

 

 

Die –nach § 73 Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) zu gemeinsamer Entscheidung verbundenen– Revisionen sind begründet. Sie führen zur Aufhebung der Vorentscheidungen und zur Zurückverweisung an das FG. Dessen Einschätzung, die unentgeltlichen Nutzungsüberlassungen seien bei den Klägern nicht als vGA zu erfassen, ist unzutreffend. Fraglich ist jedoch, ob der Bundesrepublik Deutschland (Deutschland) aus abkommensrechtlicher Sicht daran das Besteuerungsrecht uneingeschränkt zusteht oder ob eine etwaige in Spanien erhobene Steuer auf die Einkünfte anzurechnen ist. Die bisherigen tatrichterlichen Feststellungen insbesondere zum spanischen Steuerrecht lassen eine abschließende Entscheidung darüber durch den Senat nicht zu.

 

 

10

 

 

1. Nach § 20 Abs. 1 Nr. 1 Sätze 1 und 2 des Einkommensteuergesetzes (EStG 1997/2002) gehören zu den Einkünften aus Kapitalvermögen u.a. Gewinnanteile und sonstige Bezüge aus Anteilen an Gesellschaften mit beschränkter Haftung. Zu den sonstigen Bezügen gehören auch vGA.

 

 

11

 

 

a) Anteile im vorgenannten Sinne können auch an ausländischen Kapitalgesellschaften gehalten werden, die ihrem Typus nach einer entsprechenden deutschen Gesellschaft vergleichbar sind. Das ist bei der spanischen Sociedad (de Responsabilidad) Limitada der Fall; diese Rechtsform ist mit derjenigen einer GmbH vergleichbar. Den dazu getroffenen Feststellungen des FG zum spanischen Gesellschaftsrecht ist nichts hinzuzufügen, und das ist unter den Beteiligten auch nicht umstritten (ebenso Bascopé/Hering, GmbH-Rundschau 2005, 609, 615; Verfügung der Oberfinanzdirektion Hannover vom 28. Februar 2007 S 2700 – 2 – StO 242, […]). Das gilt auch für die vom FA nicht beanstandeten Feststellungen des FG, dass sich Sitz wie Geschäftsleitung der C-S.L. in den Streitjahren in Spanien befanden.

 

 

12

 

 

b) An die Kläger als Gesellschafter der C-S.L. sind Gewinne i.S. von § 20 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 EStG 1997/2002 verdeckt ausgeschüttet worden. Der entgegenstehenden Rechtsauffassung der Vorinstanz ist nicht beizupflichten.

 

 

13

 

 

Das FG stützt seine Rechtsauffassung vor allem darauf, dass die C-S.L. vor, in und nach den Streitjahren tatsächlich keine Überschüsse erzielt habe. Das mag zutreffen, tut aber nichts zur Sache. Denn festgestellt wurde auch, dass die C-S.L. den Klägern das Ferienhaus unentgeltlich ganzjährig zur jederzeitigen Nutzung überlassen und auf die Zahlung marktüblicher Entgelte verzichtet hat. Der Gewinnverzicht beruht so gesehen –aus Sicht der C-S.L.– auf einer verhinderten Vermögensmehrung in Gestalt der marktüblichen Entgelte, die nach der insoweit maßgebenden deutschen Regelungslage geeignet ist, bei der ausländischen Kapitalgesellschaft nach den auch insoweit einschlägigen Maßstäben des § 8 Abs. 3 Satz 2 des Körperschaftsteuergesetzes 1999/2002 eine vGA auszulösen (ständige Spruchpraxis des Senats, z.B. Urteile vom 5. März 2008 I R 45/07, BFH/NV 2008, 1534; vom 4. Dezember 1996 I R 54/95, BFHE 182, 123; vom 15. Mai 2002 I R 92/00, BFHE 199, 217; Gosch, KStG, 2. Aufl., § 8 Rz 253, m.w.N.; s. auch Senatsurteile vom 16. Dezember 1992 I R 32/92, BFHE 170, 354, BStBl II 1993, 399, und vom 26. August 1993 I R 44/92, BFH/NV 1994, 318), und die bei den Klägern als Anteilseignern zu entsprechenden Kapitaleinkünften gemäß § 20 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 (i.V.m. § 2 Abs. 1 Nr. 5) EStG 1997/2002 führt (vgl. Niedersächsisches FG, Urteil vom 21. August 2003 11 K 499/98, EFG 2004, 124). Dass es bei diesen an der –auch bei Kapitaleinkünften erforderlichen (ständige Spruchpraxis, vgl. z.B. BFH-Urteile vom 9. Mai 2000 VIII R 77/97, BFHE 192, 445, BStBl II 2000, 660; vom 19. Januar 2010 X R 2/07, BFH/NV 2010, 1251)– Einkünfteerzielungsabsicht fehlt, ist indes nicht ersichtlich oder dargetan; es genügt dafür jede auch noch so geringe Ertragserwartung, auch die bloße Aussicht auf steuerbare Veräußerungsgewinne (z.B. BFH-Urteile vom 15. Dezember 1999 X R 23/95, BFHE 190, 460, BStBl II 2000, 267; vom 30. März 1999 VIII R 70/96, BFH/NV 1999, 1323; BFH-Beschluss vom 29. Oktober 1998 VIII B 43/98, […]).

 

 

14

 

 

Infolgedessen spielt es keine Rolle, ob die C-S.L. in den Streitjahren als ausländische Kapitalgesellschaft –abweichend von einer deutschen Kapitalgesellschaft (vgl. Senatsurteile in BFHE 182, 123; vom 8. Juli 1998 I R 123/97, BFHE 186, 540; vom 8. August 2001 I R 106/99, BFHE 196, 173, BStBl II 2003, 487; in BFHE 199, 217; vom 31. März 2004 I R 83/03, BFHE 206, 58; vom 17. November 2004 I R 56/03, BFHE 208, 519, und vom 22. August 2007 I R 32/06, BFHE 218, 523, BStBl II 2007, 961)– über eine sog. außerbetriebliche Sphäre verfügt haben mag. Denn auch die prinzipielle Existenz einer solchen außerbetrieblichen Sphäre ist nach Maßgabe des insoweit ausschlaggebenden deutschen Rechtsverständnisses in casu unbeachtlich, wenn die Gewinnlosigkeit gerade darauf beruht, dass die Gesellschaft gegenüber ihren Gesellschaftern auf ein angemessenes Entgelt verzichtet. So aber verhält es sich nach den tatrichterlichen Feststellungen in den Streitfällen. Die Absicht –so das FG–, „eine Ferienimmobilie ohne steuerliche Belastungen nutzen zu können“, widerspricht dem jedenfalls ebenso wenig wie die Erkenntnis, dass „eine erwerbswirtschaftliche, auf Gewinnerzielung gerichtete Tätigkeit der (C-S.L.) durch Teilnahme am Marktgeschehen … weder bei ihrer Gründung noch später beabsichtigt“ gewesen sei. Ausschlaggebend ist allein, dass der konstatierte Gewinnverzicht auf letztlich in der Gesellschafterstellung der Eignerfamilie und deren persönlichen Freizeitinteressen wurzelnden Umständen gründet; Gegenteiliges ist weder ersichtlich noch dargetan. Es erübrigen sich damit zugleich Überlegungen dazu, ob auch eine Kapitalgesellschaft, welche steuerrechtlich einen sog. Liebhabereibetrieb unterhält, Kapitaleinkünfte i.S. von § 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG 1997/2002 vermitteln kann.

 

 

15

 

 

2. Deutschland ist durch abkommensrechtliche Vereinbarungen nicht gehindert, den Besteuerungszugriff auf die vGA wahrzunehmen. Ungewiss ist nach den bislang getroffenen Feststellungen des FG lediglich, ob dies uneingeschränkt oder aber infolge anteiliger Anrechnung einer in Spanien erhobenen Ertragsteuer in nur eingeschränkter Weise der Fall ist. Das hängt von der Besteuerungszuordnung nach Maßgabe des Abkommens zwischen der Bundesrepublik Deutschland und dem Spanischen Staat zur Vermeidung der Doppelbesteuerung und zur Verhinderung der Steuerverkürzung bei den Steuern vom Einkommen und vom Vermögen vom 5. Dezember 1966 (BGBl II 1968, 10, BStBl I 1968, 297) –DBA-Spanien 1966– ab.

 

 

16

 

 

a) Nach Art. 10 Abs. 1 DBA-Spanien 1966 können Dividenden, die eine in einem Vertragsstaat ansässige Gesellschaft an eine im anderen Vertragsstaat ansässige Person zahlt, im anderen Staat besteuert werden. Dividenden bedeuten nach der in Art. 10 Abs. 4 Satz 1 DBA-Spanien 1966 gegebenen abkommenseigenen (und Art. 10 Abs. 3 des Musterabkommens der Organisation for Economic Cooperation and Development –OECD– zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiet der Steuern vom Einkommen und Vermögen –OECD-MustAbk– entsprechenden) Definition –erstens– Einkünfte aus Aktien, Genussrechten oder Genussscheinen, Kuxen, Gründeranteilen oder –zweitens– Einkünfte aus anderen Rechten –ausgenommen Forderungen– mit Gewinnbeteiligung sowie –drittens– aus sonstigen Gesellschaftsanteilen stammende Einkünfte, die nach dem Steuerrecht des Staates, in dem die ausschüttende Gesellschaft ansässig ist, den Einkünften aus Aktien gleichgestellt sind.

 

 

17

 

 

aa) Unter den Gegebenheiten der Streitfälle unterfallen Gewinne, die von einer spanischen Sociedad Limitada als einer in Spanien ansässigen Gesellschaft (Art. 3 Abs. 1 Buchst. f, Art. 4 Abs. 1 DBA-Spanien 1966) verdeckt an ihre Anteilseigner ausgeschüttet werden, weder der ersten noch der zweiten Untergruppe: Zu der ersten Untergruppe gehören sie nicht, weil die Ausschüttungen aus keiner der dort genannten Einkunftsquellen generiert werden. Der zweiten Untergruppe könnten die Gewinne zwar zuzuordnen sein, folgt man dem bloßen Regelungswortlaut; es ließen sich danach durchaus Einkünfte aus „anderen Rechten“ mit Gewinnbeteiligung annehmen. Doch widerspräche ein solches wortlautgetreues Regelungsverständnis der historischen und wohl auch systematischen Bedeutung jener Untergruppe. Nach der Regelungshistorie werden davon nur in Wertpapieren verbriefte Beteiligungsrechte erfasst, welche Anteile an einer GmbH oder –hier– einer Sociedad Limitada indessen nicht verkörpern. Bei richtiger Lesart kommt der zweiten Untergruppe sonach weniger die Umschreibung einer eigenen Definition von Dividenden im Abkommenssinne zu; vielmehr werden bloß deklaratorisch Beteiligungsrechte gegenüber (Zins-)Forderungen abgegrenzt und die durch das Gesellschaftsverhältnis veranlasste Gewinnbeteiligung als Kernmerkmal solcher Rechte aus Gewinnanteilen herausgestellt (zutreffend Tischbirek in Vogel/Lehner, DBA, 5. Aufl., Art. 10 Rz 198; Schönfeld in Schönfeld/Ditz, DBA, Art. 10 Rz 172). Dieses Verständnis wird durch die in Nr. 24 des OECD-Musterkommentars (OECD-MustKomm) zu Art. 10 OECD-MustAbk aufgelisteten Beispielsfälle bestätigt.

 

 

18

 

 

bb) Einschlägig ist nach allem also die dritte definitorische Untergruppe: VGA führen danach nur dann zu Dividendeneinkünften, wenn sie nach dem Steuerrecht Spaniens als desjenigen Staates, in dem die ausschüttende Gesellschaft ansässig ist, als aus sonstigen Gesellschaftsanteilen stammende Einkünfte entsprechenden Einkünften aus Aktien gleichgestellt sind (z.B. Kaeser/Wassermeyer in Wassermeyer, Doppelbesteuerung, Art. 10 MA Rz 140; Grützner in Gosch/Kroppen/Grotherr, DBA, Art. 10 OECD-MA Rz 159 ff., 159/4; Gohr in Endres/Jacob/Gohr/Klein, DBA Deutschland/USA, Art. 10 Rz 157; im Ergebnis auch Schönfeld in Schönfeld/Ditz, a.a.O., Art. 10 Rz 136; s. abgrenzend für den Fall einer Schweizer Aktiengesellschaft, deren Ausschüttungen der ersten Untergruppe unterfallen, Senatsurteile in BFHE 170, 354, BStBl II 1993, 399, und in BFH/NV 1994, 318; ferner Senatsurteil vom 6. Juni 2012 I R 6, 8/11, BFHE 237, 346, BStBl II 2013, 111; unklar Gradel in Strunk/ Kaminski/Köhler, AStG/DBA, Art. 10 OECD-MA Rz 80.1 ff.; Gaffron in Haase, AStG/DBA, 2. Aufl., Art. 10 MA Rz 129 f.).

 

 

19

 

 

Die Vorinstanz geht unter Zitierung von Herlinghaus (in Wassermeyer, a.a.O., Anhang Spanien Rz 35) davon aus, dass eine solche Gleichstellung bei einer vGA in Gestalt der verhinderten Vermögensmehrung nach spanischem Steuerrecht nicht erfolgt, hat das aber nicht weiter geprüft, was nachzuholen sein wird. Zweierlei gilt es dabei zu beachten: Zum einen kommt es für die spanische Besteuerung auf die allgemeine Rechtslage nach den spanischen Steuergesetzen an, nicht aber darauf, ob diese Gesetze mit entsprechenden Rechtsfolgen auch konkret auf die C-S.L. angewandt und wie die vGA bei dieser konkret behandelt worden sind (vgl. z.B. Kaeser/Wassermeyer, a.a.O., Art. 10 MA Rz 116, 149). Zum anderen –und vor allem– hält es der Senat unbeschadet der nach Maßgabe der dritten definitorischen Untergruppe in Art. 10 Abs. 4 DBA-Spanien 1966 angeordneten Qualifikationsverkettung (und entgegen der erwähnten Rechtsmeinung von Herlinghaus) nicht für ausschlaggebend, ob die spanischen Steuergesetze eine vGA in ihrer konkreten Ausprägung der verhinderten Vermögensmehrung kennen. Aus abkommensrechtlicher Sicht reicht es aus, wenn eine vGA als Rechtsinstitut mit der hiermit verbundenen Rechtsfolge der Einkommenserhöhung qualifiziert wird. Nationalrechtliche Besonderheiten bleiben unbeachtlich (in vergleichbarer Weise ebenso einschränkend wie verallgemeinernd auch Aigner, Internationales Steuerrecht 2003, 154).

 

20

 

 

cc) Liegen in diesem Sinne Dividenden nach Art. 10 Abs. 4 DBA-Spanien 1966 vor, steht das Besteuerungsrecht daran wegen der Ansässigkeit der Kläger Deutschland zu.

 

 

21

 

 

aaa) Der Umstand, dass eine vGA in Gestalt der verhinderten Vermögensmehrung im tatsächlichen Wortsinne nicht „gezahlt“, vielmehr „erspart“ wird, schadet nicht. Der Begriff des Zahlens i.S. von Art. 10 Abs. 1 DBA-Spanien 1966 (und damit Art. 10 Abs. 1 OECD-MustAbk) ist weit zu begreifen und umschreibt sämtliche Formen der Erfüllung des Dividendenanspruchs („Zahlung ist die Zuwendung jeden Vorteils, der nach Abs. 3 (OECD-MustAbk) als Dividende zu qualifizieren ist“ so Tischbirek in Vogel/Lehner, a.a.O., Art. 10 Rz 22; ebenso z.B. Kaeser/Wassermeyer, a.a.O., Art. 10 MA Rz 45 f.; Schönfeld/ Ditz, a.a.O., Art. 10 Rz 61 ff., jeweils m.w.N.). Dem entspricht das einschlägige Verständnis des OECD-Musterkommentars, dort Nr. 7 zu Art. 10 OECD-MustAbk.

 

 

22

 

 

bbb) Bei den in Rede stehenden vGA handelt es sich nicht um Nutzungsentgelte, welche unter Art. 6 Abs. 3 i.V.m. Abs. 1 DBA-Spanien 1966 fallen und deswegen nach Art. 6 Abs. 4 DBA-Spanien 1966 eine gegenüber Art. 10 Abs. 1 DBA-Spanien 1966 vorrangige Besteuerungszuordnung an Spanien als sog. Belegenheitsstaat begründen.

 

 

23

 

 

Nach Art. 6 Abs. 3 i.V.m. Abs. 1 DBA-Spanien 1966 gelten Einkünfte aus der unmittelbaren Nutzung, der Vermietung oder Verpachtung sowie jeder anderen Art der Nutzung unbeweglichen Vermögens als Einkünfte aus unbeweglichem Vermögen, die in dem Vertragsstaat besteuert werden, in dem dieses Vermögen liegt. Folgt man erneut nur dem Regelungswortlaut, ließen sich durchaus auch die Gewinnanteile einer zwischengeschalteten Immobiliengesellschaft als derartige Nutzungseinkünfte auffassen; der Anteilseigner einer solchen Gesellschaft wäre dann dem Inhaber eines beschränkten dinglichen Rechts gleichzustellen (so denn auch Reimer in Vogel/Lehner, a.a.O., Art. 6 Rz 8, 98). Überwiegend wird eine solche Lesart jedoch abgelehnt. Dass sich die tatsächliche Nutzung auf das Grundstück bezieht, soll nicht genügen (umfassend z.B. Wassermeyer, a.a.O., Art. 6 MA Rz 22; Kaeser/Wassermeyer, ebenda, Art. 10 MA Rz 115; Kerssenbrock in Strunk/Kaminski/Köhler, a.a.O., Art. 6 OECD-MA Rz 15), und das entspricht wohl auch dem einschlägigen Verständnis der OECD jedenfalls in deren Musterkommentar. Der Senat schließt sich dem an (s. zu einem engen Verständnis des Unmittelbarkeitserfordernisses in Art. 6 Abs. 3 OECD-MustAbk auch Senatsurteil vom 28. April 2010 I R 81/09, BFHE 229, 252). Denn die von Art. 6 Abs. 3 DBA-Spanien 1966 verlangte unmittelbare Nutzung der Immobilie ist systematisch auf jene Person zu beziehen, welche gemäß Abs. 1 der Abkommensvorschrift aus der spezifischen Immobiliennutzung Einkünfte bezieht. Das aber ist bei Zwischenschaltung einer Kapitalgesellschaft nicht der Gesellschafter, sondern ausschließlich die Gesellschaft als solche.

 

 

24

 

 

Dass Spanien sich im Jahre 1992 –bei Neufassung des OECD-Musterkommentars– einen entsprechenden Besteuerungsanspruch für die Immobiliennutzung durch eine „vorgeschaltete“ Immobilien-Kapitalgesellschaft ausdrücklich vorbehalten hat (s. Nr. 7 zu Art. 6 Abs. 3 OECD-MustKomm), ändert daran nichts. Womöglich verfügt das spanische Steuerrecht infolgedessen zwar über entsprechende Rechtsregeln; dafür spricht nicht zuletzt, dass die Nutzung der Immobilie „über“ eine Immobilien-Kapitalgesellschaft nach Maßgabe der gegenwärtigen Fassung des DBA-Spanien 2011, dort von Art. 6 Abs. 4, explizit den Rechtsfolgen des Art. 6 unterworfen wird. Letzteres offenbart aber im Gegenteil, dass es einer konstitutiv wirkenden Anordnung im Abkommen bedarf, um jene Rechtsfolgen auszulösen, woran es im DBA-Spanien 1966 jedoch gerade fehlte. Die Qualifizierung der betreffenden Einkünfte nach innerstaatlichem spanischen Steuerrecht ist also unbeachtlich, auch wenn sich nach Art. 6 Abs. 2 Satz 1 DBA-Spanien 1966 der Ausdruck „unbewegliches Vermögen“ nach dem Recht des Vertragsstaats bestimmt, in dem das Vermögen liegt (insoweit anders Wassermeyer, ebenda; Kerssenbrock in Strunk/Kaminski/Köhler, a.a.O., Art. 6 OECD-MA Rz 16; Galke in Haase, a.a.O., Art. 6 MA Rz 17).

 

 

25

 

 

dd) Vorausgesetzt, das spanische Steuerrecht qualifiziert eine vGA als Einkünfte aus Kapitalvermögen und stellt diese den Einkünften aus Aktien gleich, bleibt es sonach dabei, dass Deutschland das Besteuerungsrecht an diesen Ausschüttungen gebührt. Auf die deutschen Einkommensteuern, welche auf die so verstandenen Dividendenzahlungen entfallen, wären allerdings etwaige auf die Dividendeneinkünfte in Spanien erhobene Ertragsteuern anzurechnen, Art. 23 Abs. 1 Buchst. b Doppelbuchst. aa DBA-Spanien 1966 i.V.m. § 34c Abs. 1 und Abs. 6 Satz 2 EStG 1997/2002; auch dazu wären ggf. weitere Feststellungen zu treffen.

 

 

26

 

 

b) Scheidet indessen eine Qualifikation als Dividende im vorgenannten Sinne mangels einschlägiger steuergesetzlicher Vorschriften im spanischen Recht aus, ergibt sich das deutsche Besteuerungsrecht an den vGA aus Art. 21 DBA-Spanien 1966, wonach die in den vorstehenden Artikeln –also in Art. 6 bis 20 DBA-Spanien 1966– nicht ausdrücklich erwähnten Einkünfte einer in einem Vertragsstaat ansässigen Person nur in diesem Staat besteuert werden können (ebenso Wassermeyer, ebenda; s. auch in anderem Zusammenhang Senatsurteil vom 20. August 2008 I R 34/08, BFHE 222, 521, BStBl II 2009, 263). In diesem Fall entfiele eine (anteilige) Anrechnung etwaiger spanischer Ertragsteuern, § 34c Abs. 6 Satz 1 EStG 1997/2002.

 

 

27

 

 

3. Die Feststellungen, derer es aus den beschriebenen Gründen für eine abschließende Besteuerung bedarf, sind –unter Umständen unter Einholung eines Sachverständigengutachtens über die spanische Regelungslage– im zweiten Rechtsgang zu treffen, weshalb die angefochtenen Urteile aufzuheben und die nicht spruchreifen Sachen an das FG zurückzuverweisen sind. Im Zuge dessen wird dann ggf. auch zu prüfen sein, ob die vom FA angesetzten und als Einkünfte behandelten Werte für die Nutzungsüberlassungen (einschließlich der hierfür gebotenen Gewinnzuschläge) marktgerecht und angemessen sind, und auch, ob es sich bei den besteuerungsauslösenden Umständen betreffend die geänderten Steuerbescheide des Klägers zu 1. für 2001 bis 2003 sowie der Klägerin zu 2./3. für 2001 um sog. neue Tatsachen handelt, welche nach Maßgabe von § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO eine Änderung der ursprünglich erlassenen Steuerbescheide ermöglichen.

 
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