BFH, Urteil vom 04.05.2011, II R 51 / 09

 

Tatbestand

I. Der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger) hatte in den
Streitjahren (1994 bis 1996) seinen Wohnsitz in der Schweiz. Im Inland hatte er
weder einen Wohnsitz noch seinen gewöhnlichen Aufenthalt.

Der Kläger war in diesen Jahren als Kommanditist zu 99,75 %
am Gesellschaftsvermögen einer GmbH & Co. KG (KG) mit Sitz in K beteiligt.
Die restliche Beteiligung hielt die Komplementär-GmbH (GmbH), der auch die
Geschäftsführung oblag. Die KG verwaltete Beteiligungen an Personen- und
Kapitalgesellschaften, u.a. an einer AG, und war zudem zur Buchführung für eine
GbR verpflichtet, an der sie nicht beteiligt war. Diese Verpflichtung ließ sie
für das von der GbR an sie bezahlte Entgelt (12.000 DM jährlich) von der AG
wahrnehmen.

Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt –FA–)
stellte für die KG auf den 1. Januar der Jahre 1994 bis 1997 Einheitswerte des
Betriebsvermögens fest und rechnete dem Kläger jeweils einen Anteil am
Einheitswert zu. Die Einsprüche, mit denen sich der Kläger gegen die Zurechnung
von Anteilen an den festgestellten Einheitswerten wandte, blieben erfolglos.

Das Finanzgericht (FG) gab der Klage durch das in
Entscheidungen der Finanzgerichte 2009, 1819 veröffentlichte Urteil mit der
Begründung statt, die Anteilszurechnungen hätten für die Besteuerung des
beschränkt vermögensteuerpflichtigen Klägers keine Bedeutung i.S. des § 19 Abs.
4 des Bewertungsgesetzes in der seinerzeit geltenden Fassung (BewG). Die
Anteile unterlägen nämlich nicht der inländischen Vermögensteuer. Sie hätten
zwar zu dem der beschränkten Vermögensteuerpflicht unterliegenden inländischen Betriebsvermögen
gehört. Das Besteuerungsrecht für die Anteile stehe aber nach dem Abkommen
zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Schweizerischen Eidgenossenschaft
zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiete der Steuern vom Einkommen
und vom Vermögen vom 11. August 1971 –DBA-Schweiz– (BGBl II 1972, 1021, BStBl
I 1972, 518) der Schweiz zu.

Mit der Revision rügt das FA Verletzung des Art. 3 Abs. 1
Buchst. f, Abs. 2 DBA-Schweiz i.V.m. § 15 Abs. 3 Nr. 2 des
Einkommensteuergesetzes (EStG) und § 19 BewG. Zum einen entspreche die
Zurechnung von Anteilen an denEinheitswerten des Betriebsvermögens der KG auf
den Kläger schon deshalb den Anforderungen des § 19 Abs. 4 BewG, weil die
inländische Vermögensteuerpflicht nicht offensichtlich auszuschließen sei. Über
die Frage, ob das Besteuerungsrecht der Schweiz oder der Bundesrepublik
Deutschland (Bundesrepublik) zustehe, sei daher nicht im
Feststellungsverfahren, sondern im Besteuerungsverfahren zu entscheiden. Zum
anderen unterlägen die Anteile des Klägers an den Einheitswerten des Betriebsvermögens
der KG der Besteuerung durch die Bundesrepublik. Der Begriff Betrieb eines
Unternehmens i.S. des Art. 3 Abs. 1 Buchst. f DBA-Schweiz setze keine aktive
Tätigkeit des Unternehmens am Markt voraus, sondern umfasse auch gewerblich
geprägte Personengesellschaften i.S. des § 15 Abs. 3 Nr. 2 EStG. as FA nahm die
Revision hinsichtlich des Bewertungsstichtags 1. Januar 1997 wieder zurück,
weil seit dem Jahr 1997 keine Vermögensteuer mehr erhoben wird.

Das FA beantragt, die Vorentscheidung aufzuheben, soweit sie
die Bewertungsstichtage 1. Januar 1994 bis 1. Januar 1996 betrifft, und die
Klage insoweit abzuweisen.

Der Kläger beantragt, die Revision als unbegründet
zurückzuweisen.

Das Bundesministerium der Finanzen (BMF), das gemäß § 122
Abs. 2 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) dem Verfahren beigetreten ist,
teilt die Auffassung des FA, dass das Besteuerungsrecht für die Anteile des
Klägers an den Einheitswerten des Betriebsvermögens der KG der Bundesrepublik
zustehe. Auch gewerblich geprägte Personengesellschaften seien Unternehmen im
abkommensrechtlichen Sinn. Soweit sich aus dem Urteil des Bundesfinanzhofs
(BFH) vom 28. April 2010 I R 81/09 (BFHE 229, 252) etwas anderes ergebe, könne
dem nicht gefolgt werden. Der BFH habe sich lediglich der überwiegend in der
Literatur vertretenen Auffassung angeschlossen, ohne sich vertieft mit der
Problematik auseinander zu setzen. Zudem sei in dem entschiedenen Fall die
Frage der gewerblichen Prägung letztlich nicht entscheidend gewesen.

Gründe

II. Die Revision ist unbegründet und war daher
zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 FGO). Das FG hat der Klage zu Recht stattgegeben.
Der Zurechnung von Anteilen an den auf den 1. Januar der Jahre 1994 bis 1996
festgestellten Einheitswerten des Betriebsvermögens der KG auf den Kläger steht
§ 19 Abs. 4 BewG entgegen, weil sie für die Besteuerung des Klägers nicht von
Bedeutung ist. Das Besteuerungsrecht steht nicht der Bundesrepublik, sondern
der Schweiz zu.

1. Das FG hat zu Recht angenommen, dass über die Frage, ob
der Kläger mit den Anteilen an den Einheitswerten des Betriebsvermögens der KG
der inländischen Vermögensteuer unterliegt, im Rahmen der Prüfung der
Rechtmäßigkeit der angefochtenen Feststellungsbescheide zu entscheiden ist.

a) Nach § 19 Abs. 1 Nr. 2 BewG werden für inländische
Gewerbebetriebe (§ 95 BewG) Einheitswerte festgestellt (§ 180 Abs. 1 Nr. 1 der
Abgabenordnung –AO–). In dem Feststellungsbescheid (§ 179 AO) sind gemäß § 19
Abs. 3 Nr. 2 BewG auch Feststellungenzu treffen über die Zurechnung der
wirtschaftlichen Einheit und bei mehreren Beteiligten über die Höhe ihrer
Anteile. Feststellungen nach § 19 Abs. 1 bis 3 BewG erfolgen gemäß § 19 Abs. 4
BewG nur, wenn und soweit sie für die Besteuerung von Bedeutung sind. § 19 Abs.
4 BewG ist eine Ausprägung des für alle gesonderten Feststellungen von
Besteuerungsgrundlagen geltenden allgemeinen Rechtsgrundsatzes, dass diese nur
getroffen werden dürfen, wenn sie für eine Besteuerung von Bedeutung sind (BFH-Beschluss
vom 30. November 1993 II B 183/92, BFHE 172, 530, BStBl II 1994, 150). Wie der
BFH in dieser Entscheidung weiter ausgeführt hat, ist die Feststellung der
Besteuerungsgrundlagen jedoch nur dann unzulässig, wenn es unzweifelhaft ist,
dass ihr keine steuerliche Bedeutung mehr zukommt. Solange Zweifel an der
steuerrechtlichen Relevanz der gesonderten Feststellung bestünden, sei die
Feststellung geboten und rechtmäßig. Zweifel in diesem Sinne seien nicht nur
solche über die tatbestandsmäßigen Voraussetzungen einer Steuerbefreiung, sondern
auch solche über reine Rechtsfragen. Bei einem anderen Verständnis käme es zu
einer unzulässigen Verlagerung von Fragen der Steuerfestsetzung in das Verfahren
über die Feststellung von Besteuerungsgrundlagen.

b) Diese Grundsätze stehen der Entscheidung, dass die dem
Kläger zugerechneten Anteile an den Einheitswerten des Betriebsvermögens der KG
nicht der inländischen Vermögensteuerpflicht unterliegen und dass ihm deshalb
in den angefochtenen Feststellungsbescheiden die Anteile nicht zugerechnet
werden durften, nicht entgegen. Die Rechtslage ist nämlich eindeutig (vgl.
unten 2.). Allein daraus, dass die Beteiligten dazu unterschiedliche
Auffassungen vertreten, lassen sich Zweifel an der Rechtslage nicht herleiten.

2. Die in den angefochtenen Feststellungsbescheiden
vorgenommene Zurechnung von Anteilen an den Einheitswerten des
Betriebsvermögens der KG auf den Kläger ist übereinstimmend mit der Ansicht des
FG rechtswidrig. Das Besteuerungsrecht für die Anteile steht nicht der
Bundesrepublik, sondern der Schweiz zu.

a) Nach innerstaatlichem Recht unterliegen die Anteile der
Vermögensteuer. Der Kläger ist gemäß § 2 Abs. 1 Nr. 1 des
Vermögensteuergesetzes in der in den Streitjahren geltenden Fassung (VStG)
beschränkt steuerpflichtig, weil er in diesen Jahren im Inland weder einen Wohnsitz
noch seinen gewöhnlichen Aufenthalt hatte. Die beschränkte Steuerpflicht
erstreckt sich nach § 2 Abs. 2 VStG nur auf Vermögen der in § 121 BewG
genannten Art, das auf das Inland entfällt.

Zum Inlandsvermögen gehört nach § 121 Abs. 2 Nr. 3 BewG das
inländische Betriebsvermögen. Als solches gilt das Vermögen, das einem im
Inland betriebenen Gewerbe dient, wenn hierfür im Inland eine Betriebsstätte
unterhalten wird oder ein ständiger Vertreter bestellt ist. Zum
Betriebsvermögen zählt dabei auch das Vermögen von Gesellschaften, die, wie die
KG, nach § 15 Abs. 3 Nr. 2 EStG gewerblich geprägt sind (§ 97 Abs. 1 Satz 1 Nr.
5 Satz 1 BewG).

Die gewerbliche Prägung der KG ergibt sich daraus, dass sie
keine Tätigkeit i.S. des § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG ausübte und
ausschließlich die GmbH persönlich haftende Gesellschafterin und zur
Geschäftsführung befugt war. Die bloßeVermögensverwaltung ist keine gewerbliche
Tätigkeit i.S. des § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 i.V.m. Abs. 2 EStG (BFH-Urteile vom
9. Dezember 2002 VIII R 40/01, BFHE 201, 180, BStBl II 2003, 294, und vom 4.
Februar 2009 II R 41/07, BFHE 225, 85, BStBl II 2009, 600).

Die von der KG übernommenen Buchführungsaufgaben hatten auch
nicht dazu geführt, dass die Tätigkeit der KG gemäß § 15 Abs. 3 Nr. 1 EStG als
Gewerbebetrieb in vollem Umfang galt. Zum einen hatte die KG insoweit nicht mit
der für das Vorliegen einer gewerblichen Tätigkeit erforderlichen Absicht,
Gewinn zu erzielen, gehandelt (§ 15 Abs. 2 Satz 1 EStG); denn sie hatte die AG
mit der Wahrnehmung dieser Aufgaben beauftragt und dieser dafür das volle von
ihr selbst vereinnahmte Honorar bezahlt.

Zum anderen greift nach Maßgabe des
Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes bei einem äußerst geringen Anteil der originär
gewerblichen Tätigkeit die umqualifizierende Wirkung des § 15 Abs. 3 Nr. 1 EStG
nicht ein (BFH-Urteil vom 11. August 1999 XI R 12/98, BFHE 189, 419, BStBl II
2000, 229). Zwischen den Beteiligten besteht demgemäß zu Recht Einigkeit, dass
die Beurteilung der KG als Gewerbebetrieb ausschließlich auf § 15 Abs. 3 Nr. 2
EStG, nicht aber auf § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 i.V.m. Abs. 2 oder Abs. 3 Nr. 1
EStG beruht.

b) Das Besteuerungsrecht für die dem Kläger in den
angefochtenen Bescheiden zugerechneten Anteile an den Einheitswerten des
Betriebsvermögens der KG steht nicht der Bundesrepublik, sondern der Schweiz
zu.

aa) Der Kläger fällt für die Streitjahre unter das
DBA-Schweiz, weil er in der Schweiz ansässig war (Art. 1 DBA-Schweiz).

bb) Das DBA-Schweiz gilt u.a. für die in der Bundesrepublik
erhobene Vermögensteuer (Art. 2 Abs. 3 Nr. 1 Buchst. c DBA-Schweiz) und die in
der Schweiz erhobenen Steuern vom Vermögen (Art. 2 Abs. 3 Nr. 2 Buchst. b
DBA-Schweiz).

cc) Die Zuweisung des Besteuerungsrechts für die
Vermögensteuer ist in Art. 22 DBA-Schweiz geregelt. Vermögenswerte, für die
Art. 22 Abs. 1 bis 5 DBA-Schweiz keine Regelung enthält, können nach Art. 22
Abs. 6 DBA-Schweiz nur in dem Staat besteuert werden, in dem die Person
ansässig ist, der die Vermögenswerte zuzurechnen sind.

dd) Das Besteuerungsrecht der Bundesrepublik für die
Beteiligung einer in der Schweiz ansässigen Person an einer inländischen
gewerblich geprägten Personengesellschaft kann entgegen der Ansicht des FA und
des BMF nicht aus Art. 22 Abs. 2 DBA-Schweiz abgeleitet werden.

aaa) Nach dieser Vorschrift kann bewegliches Vermögen, das
Betriebsvermögen einer Betriebsstätte eines Unternehmens darstellt oder das zu
einer der Ausübung eines freien Berufes dienenden festen Einrichtung gehört, in
dem Vertragsstaat besteuert werden, in dem sich die Betriebsstätte oder die
feste Einrichtung befindet. Der Begriff „Unternehmen“ im Sinne dieser
Vorschrift ist im DBA-Schweiz nicht definiert, insbesondere auch nicht indessen
Art. 3 Abs. 1 Buchst. f, und daher nach Art. 3 Abs. 2 DBA-Schweiz für Zwecke der
deutschen Besteuerung in der Bedeutung zu verwenden, die ihm nach dem Recht der
Bundesrepublik über die Steuern zukommt, welche Gegenstand des DBA-Schweiz
sind, soweit der Zusammenhang des DBA-Schweiz nichts anderes erfordert. Der
Rückgriff auf das deutsche Vermögensteuerrecht führt indes nicht weiter; denn weder
das VStG noch §§ 95, 97 und 121 BewG oder andere Vorschriften des VStG oder des
BewG definieren den Begriff „Unternehmen“.

bbb) Der Begriff ist danach aus dem Zusammenhang des
DBA-Schweiz heraus auszulegen. Diese Auslegung ergibt, dass eine
vermögensverwaltende Personengesellschaft auch dann kein
„Unternehmen“ i.S. des Art. 22 Abs. 2 DBA-Schweiz ist oder hat, wenn
sie i.S. des § 15 Abs. 3 Nr. 2 EStG gewerblich geprägt ist. Die gewerbliche
Prägung einer vermögensverwaltenden Personengesellschaft spielt
abkommensrechtlich keine Rolle. Wie der BFH im Urteil in BFHE 229, 252 mit
überzeugender Begründung ausgeführt hat, setzt das Vorliegen von „Gewinnen
eines Unternehmens“ im abkommensrechtlichen Sinn (Art. 7 Abs. 1 Satz 1 des
Musterabkommens der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und
Entwicklung zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiet der Steuern vom
Einkommen und vom Vermögen) bzw. von „gewerblichen Gewinnen eines
Unternehmens“ i.S. des Art. 7 Abs. 1 Satz 1 des Abkommens zwischen der
Bundesrepublik Deutschland und den Vereinigten Staaten von Amerika zur
Vermeidung der Doppelbesteuerung und zur Verhinderung der Steuerverkürzung auf
dem Gebiet der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen und einiger anderer
Steuern vom 29. August 1989 –DBAUSA 1989 a.F.– (BGBl II 1991, 355, BStBl I
1991, 95) eine ihrer Art nach „unternehmerische“ Tätigkeit voraus
(ebenso BFH-Beschluss vom 19. Mai 2010 I B 191/09, BFHE 229, 322, BStBl II
2011, 156, unter II.3.b bb, zu Art. 13 des Abkommens zwischen der
Bundesrepublik Deutschland und dem Spanischen Staat zur Vermeidung der
Doppelbesteuerung und zur Verhinderung der Steuerverkürzung vom 5. Dezember
1966, BGBl II 1968, 10, BStBl I 1968, 297; BFH-Urteil vom 9. Dezember 2010 I R
49/09, BFHE 232, 145, unter B.I.2.b, zum Abkommen zwischen der Bundesrepublik
Deutschland und dem Vereinigten Königreich Großbritannien und Nordirland zur
Vermeidung der Doppelbesteuerung und zur Verhinderung der Steuerverkürzung vom
26. November 1964, BGBl II 1966, 359, in der Fassung des Revisionsprotokolls
vom 23. März 1970, BGBl II 1971, 46, BStBl I 1971, 140). Es möge zwar der
Anweisung in Art. 3 Abs. 2 DBA-USA 1989 a.F. (entspricht im Wesentlichen Art. 3
Abs. 2 DBA-Schweiz) entsprechen, für Zwecke der deutschen Besteuerung an die
Definition der „Einkünfte aus Gewerbebetrieb“ in § 15 Abs. 2 EStG
anzuknüpfen. Der abkommensrechtliche Begriff „gewerbliche Gewinne eines Unternehmens“
umfasse aber nicht Einkünfte aus einer inhaltlich zum Bereich der Vermögensverwaltung
gehörenden und im innerstaatlichen Recht nur im Wege einer Fiktion gemäß § 15
Abs. 3 Nr. 2 EStG dem Bereich der Gewerblichkeit zugewiesenen Tätigkeit. Die
abkommensrechtliche Aufteilung der Besteuerungshoheit richte sich in erster
Linie an der Art der Einkunftserzielung aus und weise der systematischen Einordnung
der Einkünfte im nationalen Recht insoweit nur eine Hilfsfunktion zu. Ein
anderes Verständnis würde ohne hinreichenden Grund die Gefahr fördern, dass Doppelbesteuerungsabkommen
in den einzelnen Vertragsstaaten unterschiedlich ausgelegt würden, und damit
der im Grundsatz angestrebten Entscheidungsharmonieentgegenwirken. Die Fiktion
des § 15 Abs. 3 Nr. 2 EStG sei daher für die abkommensrechtliche Qualifizierung
von Einkünften ohne Bedeutung. 30 Entgegen der Ansicht des BMF war diese
Auslegung des DBA-USA 1989 a.F. durch den BFH im Urteil in BFHE 229, 252
entscheidungserheblich. Wären die von der gewerblich geprägten
US-amerikanischen Personengesellschaft erzielten Zinseinkünfte als gewerbliche
Gewinne eines Unternehmens i.S. von Art. 7 Abs. 1 DBA-USA 1989 a.F. zu
beurteilen gewesen, hätten sie der USamerikanischen Besteuerung unterlegen. Der
angefochtene Feststellungsbescheid, der vom Besteuerungsrecht der
Bundesrepublik ausgegangen war, wäre dann aufzuheben gewesen.

Der erkennende Senat schließt sich der in Einklang mit der
überwiegend in der finanzgerichtlichen Rechtsprechung und in der Literatur
vertretenen Auffassung (Nachweise im BFH-Urteil in BFHE 229, 252 ) stehenden
Ansicht des I. Senats des BFH auch für die Vermögensteuer an. Der abweichenden
Auffassung des BMF (Schreiben vom 16. April 2010, BStBl I 2010, 354 Tz. 2.2.1)
kann übereinstimmend mit der Rechtsprechung des I. Senats des BFH nicht gefolgt
werden. Eine vermögensverwaltend tätige Personengesellschaft, deren Einkünfte
lediglich aufgrund der Fiktion des § 15 Abs. 3 Nr. 2 EStG als Einkünfte aus
Gewerbebetrieb gelten, ist oder hat danach kein Unternehmen i.S. des Art. 22
Abs. 2 DBA-Schweiz. Das Recht, die Beteiligung einer natürlichen Person an
einer solchen Gesellschaft der Vermögensteuer zu unterwerfen, kann demgemäß
nicht aus dieser Vorschrift abgeleitet werden. Es steht vielmehr gemäß Art. 22
Abs. 6 DBA-Schweiz dem Ansässigkeitsstaat zu, soweit sich nicht aus den übrigen
Einzelvorschriften des Art. 22 DBA-Schweiz etwas anderes ergibt.

ee) Das Recht, Vermögensteuer für die Anteile des Klägers an
den Einheitswerten des Betriebsvermögens der KG festzusetzen, steht mithin nach
der Grundregel des Art. 22 Abs. 6 DBA-Schweiz der Schweiz als dem Staat zu, in
dem der Kläger in den Streitjahren ansässig war. Ein Besteuerungsrecht der
Bundesrepublik lässt sich weder aus Art. 22 Abs. 2 DBASchweiz noch einer
anderen abkommensrechtlichen Vorschrift ableiten.
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