BFH, Urteil vom 03.11.2010, I R 98 / 09

 

Tatbestand

Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin) ist eine im
Jahr 1895 errichtete Familienstiftung. Zweck der Klägerin ist es, das Vermögen
des Stifters den männlichen Abkömmlingen seines Vaters und Großvaters zu
erhalten und den Abkömmlingen durch Zuwendungen der Stiftung eine in
wirtschaftlicher Beziehung gesicherte Lebensstellung zu verschaffen.

Anteilsberechtigt sind die ehelichen männlichen Abkömmlinge
eines Neffen und zweier Vettern des Stifters. Jeder der Anteilsberechtigten hat
unter weiteren in der Satzung niedergelegten Voraussetzungen Anspruch auf eine
Kapitalzuwendung und eine Zeitrente oder auf eine lebenslängliche jährliche
Rente in Höhe von 1. 000 DM.

Die Klägerin erzielte in den Streitjahren 2002 bis 2005
Einkünfte aus Kapitalvermögen in Höhe von 106. 340 € (2002), 113. 902 € (2003),
116. 122 € (2004) und 80. 924 € (2005) sowie jeweils Einkünfte aus Vermietung
und Verpachtung in Höhe von 460. 772 € (2002), 448. 887 € (2003), 151. 061 €
(2004) und 243. 230 € (2005).

In der Anlage zum Körperschaftsteuerbescheid 2004 wies der
Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt – FA) die Klägerin darauf hin, dass
eventuell geleistete Destinatärzahlungen seit dem 1. Januar 2002 gemäß § 20
Abs. 1 Nr. 9 i.V.m. § 43 Abs. 1 Nr. 7a des Einkommensteuergesetzes (EStG 2002)
i.d.F. des Gesetzes zur Fortentwicklung des Unternehmenssteuerrechts
(Unternehmenssteuerfortentwicklungsgesetz) vom 20. Dezember 2001 (BGBl I 2001,
3858, BStBl I 2002, 35) – EStG 2002 n.F. – dem Kapitalertragsteuerabzug
unterlägen, und forderte die Klägerin auf, Kapitalertragsteueranmeldungen
abzugeben. Die Klägerin teilte daraufhin mit, ihre Auskehrungen an die
Destinatäre stellten keine Leistungen i.S. des § 20 Abs. 1 Nr. 9 EStG 2002 n.F.
dar, so dass Kapitalertragsteueranmeldungen nicht abzugeben seien. Sie erklärte
ferner, es seien laufende Rentenzahlungen in Höhe von 30.970,80 € (2002),
35.072,30 € (2003), 54.728,78 € (2004) und 35.892,60 € (2005) sowie
Sonderzahlungen in Höhe von jeweils 245. 000 € (2002 und 2003), 311.083,32 €
(2004) und 42. 000 € (2005), insgesamt 999.747,80 €, geleistet worden.

Das FA nahm die Klägerin daraufhin für Kapitalertragsteuer
2002 bis 2005 nebst Solidaritätszuschlag in Höhe von insgesamt 210.946,79 €
nach § 44 Abs. 5 EStG 2002 n.F. als Haftende in Anspruch.

Das Finanzgericht (FG) Berlin-Brandenburg gab der dagegen
gerichteten Klage mit in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2010, 55
veröffentlichtem Urteil vom 16. September 2009 8 K 9250/07 statt.

Mit seiner Revision rügt das FA eine Verletzung materiellen
Rechts. Es beantragt, das Urteil des FG aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt, die Revision zurückzuweisen.

 

Gründe

Die Revision ist begründet. Sie führt gemäß § 126 Abs. 3
Satz 1 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) zur Aufhebung des
erstinstanzlichen Urteils und Abweisung der Klage.

1. Entgegen der Auffassung des FG war die Klägerin nach § 44
Abs. 1 Satz 3 i.V.m. § 43 Abs. 1 Satz 1 Nr. 7a EStG 2002 n.F. zur Einbehaltung
der Kapitalertragsteuer verpflichtet. Denn die Zahlungen an die Destinatäre
sind Einkünfte aus Kapitalvermögen i.S. des § 20 Abs. 1 Nr. 9 EStG 2002 n.F.

a) Nach § 20 Abs. 1 Nr. 9 EStG 2002 n.F. gehören zu den Einkünften
aus Kapitalvermögen Einnahmen aus Leistungen einer nicht von der
Körperschaftsteuer befreiten Körperschaft, Personenvereinigung oder
Vermögensmasse i.S. des § 1 Abs. 1 Nr. 3 bis 5 des Körperschaftsteuergesetzes
(KStG 2002), die Gewinnausschüttungen i.S. des § 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG 2002 n.F.
wirtschaftlich vergleichbar sind, soweit sie nicht bereits zu den Einnahmen
i.S. des § 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG 2002 n.F. gehören.

b) Die Klägerin ist eine nach § 1 Abs. 1 Nr. 5 KStG 2002
unbeschränkt körperschaftsteuerpflichtige Stiftung, die nicht von der
Körperschaftsteuer befreit ist. Ihre Zahlungen an die Destinatäre stellen
Leistungen dar, die Gewinnausschüttungen i.S. des § 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG 2002
n.F. wirtschaftlich vergleichbar sind.

aa) Der Zusatz in § 20 Abs. 1 Nr. 9 EStG 2002 n.F., dass die
Leistungen „Gewinnausschüttungen im Sinne der Nummer 1 wirtschaftlich
vergleichbar“ sein müssen, ist erst durch das
Unternehmenssteuerfortentwicklungsgesetz eingefügt worden. Die ursprüngliche
Fassung durch das Steuersenkungsgesetz vom 23. Oktober 2000 (BGBl I 2000, 1433,
BStBl I 2000, 1428) sah diese Einschränkung noch nicht vor. Nach der
Gesetzesbegründung sollte damit klargestellt werden, dass eine Leistung i.S.
des § 20 Abs. 1 Nr. 9 EStG 2002 n.F. beispielsweise dann nicht vorliege, wenn
ein nicht von der Körperschaftsteuer befreiter Verein in Erfüllung seiner
allgemeinen satzungsmäßigen Aufgaben Leistungen an Mitglieder aufgrund von
Beiträgen i.S. von § 8 Abs. 5 KStG 2002 erbringe, die von den Mitgliedern
lediglich in ihrer Eigenschaft als Mitglieder nach der Satzung zu entrichten
seien. Diese Leistungen seien nicht mit einer Gewinnausschüttung vergleichbar,
da sie allgemein mit den Mitgliedsbeiträgen abgegolten seien (BTDrucks 14/6882,
S. 35). Hieraus lässt sich schließen, dass nur solche Leistungen nicht von § 20
Abs. 1 Nr. 9 EStG 2002 n.F. erfasst sein sollen, denen im weitesten Sinne eine
Gegenleistung des Leistungsempfängers – z.B. in Form eines Mitgliedsbeitrags –
gegenübersteht.

bb) Demgegenüber spielt es entgegen der Auffassung des FG
keine Rolle, ob die Leistungsempfänger am Vermögen beteiligt sind. Dies folgt
schon daraus, dass § 20 Abs. 1 Nr. 9 EStG 2002 n.F. ausdrücklich Leistungen von
„Vermögensmassen“ aufführt, demnach auch selbständige Stiftungen,
obwohl bei diesen eine Beteiligung der Leistungsempfänger am Vermögen nicht
möglich ist und auch Mitgliedschaftsrechte nicht bestehen. Wie aus der
Gesetzesbegründung (BTDrucks 14/2683, S. 114) ersichtlich, war dem Gesetzgeber
bewusst, dass bei den in der Vorschrift genannten Körperschaftsteuersubjekten
grundsätzlich keine Ausschüttungen an Anteilseigner oder Mitglieder möglich
sind. Gleichwohl komme es auch bei diesen Körperschaften zu
Vermögensübertragungen an die „hinter diesen Gesellschaften stehenden Personen“.
Diese Vermögensübertragungen seien wirtschaftlich gesehen mit
Gewinnausschüttungen vergleichbar. Es ist zudem davon auszugehen, dass dem
Gesetzgeber die weiteren strukturellen Unterschiede zwischen
Kapitalgesellschaften und Vermögensmassen bekannt waren. Gleichwohl hat er auch
deren Leistungen ausdrücklich in den Anwendungsbereich des § 20 Abs. 1 Nr. 9
EStG 2002 n.F. einbezogen, woraus zu schließen ist, dass er diesen
Unterschieden keine der Besteuerung ihrer Leistungen als Kapitaleinkünfte
entgegenstehende Bedeutung beigemessen hat.

Damit ist es unbeachtlich, ob die Destinatäre rechtlich die
Stellung eines Anteilseigners innehaben. Ausschlaggebend ist, ob ihre Stellung
wirtschaftlich derjenigen eines Anteilseigners entspricht (gl.A.
Schleswig-Holsteinisches FG, Urteil vom 7. Mai 2009 5 K 277/06, EFG 2009, 1558;
Schreiben des Bundesministeriums der Finanzen vom 9. Mai 2006, BStBl I 2006,
417; Schiffer, Deutsches Steuerrecht – DStR – 2005, 508, 511, m.w.N. auf S.
512; Schiffer/v. Schubert, Betriebs-Berater – BB – 2002, 265, 267 f.; Freundl,
DStR 2004, 1509, 1513; Jansen/Gröning, Steuer und Wirtschaft 2003, 140;
Kußmaul/ Meyering, Zeitschrift für Steuern und Recht 2004, 41, 43; sowie
weitere Nachweise bei Kirchhain, BB 2006, 2387, Fußnote 5; a.A. Kirchhain,
daselbst; Fischer in Kirchhof, EStG, 9. Aufl., § 22 Rz 10; differenzierend
Orth, DStR 2001, 325; Wassermeyer, DStR 2006, 1733; Schlotter in Littmann/Bitz/
Pust, Das Einkommensteuerrecht, § 20 Rz 735).

cc) Es kann im Streitfall offenbleiben, ob – wie die Gesetzesbegründung
zu § 20 Abs. 1 Nr. 9 EStG 2002 n.F. nahelegt – alle auf Wiederholung angelegten
Leistungen der in § 1 Nr. 3 bis 5 KStG 2002 genannten Körperschaften,
Personenvereinigungen und Vermögensmassen, denen keine Gegenleistungen der
Empfänger gegenüberstehen, zu den Einkünften i.S. des § 20 Abs. 1 Nr. 9 EStG
2002 n.F. gehören. Denn jedenfalls unter den Gegebenheiten des Streitfalls sind
die Zahlungen der Klägerin an die Destinatäre Gewinnausschüttungen i.S. des §
20 Abs. 1 Nr. 1 EStG 2002 n.F. wirtschaftlich vergleichbar.

aaa) Ausschließlicher Stiftungszweck der Klägerin ist die
Erhaltung des Stiftungsvermögens für die männlichen Abkömmlinge des Neffen und
der beiden Vettern des Stifters und die Verschaffung einer in wirtschaftlicher
Hinsicht gesicherten Lebensstellung für diese Abkömmlinge. Die
Anspruchsberechtigten sind zwar nicht unmittelbar am Vermögen der Klägerin
beteiligt; sie sind aber ausschließliche Nutznießer der Erträge des
Stiftungsvermögens. Ähnlich einem Gesellschafter, der die Früchte aus dem
hingegebenen Kapital erhält, sind die anspruchsberechtigten Familienmitglieder
Begünstigte der Früchte aus dem einst hingegebenen Stiftungskapital (gl.A.
Schleswig-Holsteinisches FG, Urteil in EFG 2009, 1558). Wird die Stiftung durch
Familienbeschluss oder kraft Gesetzes aufgelöst, fällt das Stiftungsvermögen
überdies zu gleichen Teilen an die männlichen Abkömmlinge der drei Stammväter
(§ 13 der Satzung).

Das Kuratorium der Klägerin bestimmt zwar die Verwendung der
Erträge. Jedoch soll gemäß § 4 Abs. 3 der Satzung zumindest ein Mitglied der
Familie im Kuratorium vertreten sein. Ferner können Kuratoriumsmitglieder
jederzeit durch Beschluss abberufen werden, den eine Mehrheit von mindestens
zwei Dritteln sämtlicher stimmberechtigter Familienmitglieder auf einem
ordentlichen oder außerordentlichen Familientag durch Abstimmung fasst (§ 4
Abs. 11 der Satzung). Zur Teilnahme an Familienbeschlüssen sind alle
volljährigen männlichen Abkömmlinge der drei Stammväter berechtigt (§ 5 der
Satzung).

bbb) Damit haben im Streitfall die Destinatäre ähnlich wie
die Gesellschafter in der Gesellschafterversammlung Einfluss auf die Verwendung
der Erträge der Stiftung und letztlich auch des Vermögens. Zudem ist die zu
verrentende Kapitalzuwendung, die jedem anspruchsberechtigten Familienmitglied
zusteht, der Disposition des Kuratoriums entzogen, da insoweit bereits ein
unmittelbarer Anspruch aus der Satzung besteht (§ 7 der Satzung). Zumindest
dann, wenn die Leistungsempfänger – wie hier – unmittelbar oder mittelbar Einfluss
auf das Ausschüttungsverhalten der Stiftung nehmen können, handelt es sich um
„hinter der Stiftung stehende Personen“ und sind die Leistungen
wirtschaftlich Gewinnausschüttungen i.S. des § 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG 2002 n.F.
vergleichbar.

ccc) Dem steht nicht entgegen, dass die
anspruchsberechtigten Familienmitglieder auch Anspruch auf eine zu verrentende
Kapitalzuwendung von 31. 250 DM haben, die unabhängig von den Erträgen der
Stiftung zu leisten ist. Aus den von der Klägerin genannten Leistungen der Streitjahre
ergibt sich, dass es sich bei dem überwiegenden Teil nicht um Rentenzahlungen
handelt. Vielmehr werden die Erträge, soweit sie nicht für den Erhalt des
Stiftungsvermögens erforderlich sind, an die anspruchsberechtigten
Familienangehörigen ausgekehrt.

2. Ob die Zahlungen der Klägerin zugleich die
Voraussetzungen des § 22 Nr. 1 Satz 2 Buchst. a EStG 2002 n.F. erfüllen, kann
im Streitfall dahingestellt bleiben. Denn in § 22 Nr. 1 Satz 1 EStG 2002 n.F.
ist ausdrücklich die Nachrangigkeit der sonstigen Einkünfte gegenüber den
Einkünften aus Kapitalvermögen angeordnet.

3. Die Klägerin hat entgegen ihrer Verpflichtung nach § 44
Abs. 1 Satz 3 und 5 i.V.m. § 43 Abs. 1 Satz 1 Nr. 7a EStG 2002 n.F. die
Kapitalertragsteuer auf die ausgezahlten Kapitalerträge nicht einbehalten und
an das FA abgeführt. Gemäß § 44 Abs. 5 Satz 1 EStG 2002 n.F. haftet sie für die
nicht einbehaltene und abgeführte Kapitalertragsteuer, es sei denn, sie weist
nach, dass sie die ihr auferlegten Pflichten weder vorsätzlich noch grob fahrlässig
verletzt hat. Dieser Nachweis ist ihr entgegen der Auffassung des FG nicht
gelungen.

a) Das FG hat ausgeführt, ein schuldhaftes Verhalten der
Klägerin liege deshalb nicht vor, weil „namhafte Autoren“ der
Auffassung gewesen seien, die streitbefangenen Zahlungen stellten keine
Einkünfte i.S. des § 20 Abs. 1 Nr. 9 EStG 2002 n.F. dar. Dem ist nicht zu
folgen. Zumindest ab dem Zeitpunkt, ab dem der Klägerin bekannt war oder über
ihre steuerlichen Berater hätte bekannt sein müssen, dass im Fachschrifttum auch
„namhafte Autoren“ die gegenteilige Auffassung vertreten (zur
Stiftungsliteratur vgl. insbesondere die Nachweise bei Schiffer, DStR 2005,
508, 512, und Kirchhain, BB 2006, 2387, Fußnote 5), wäre es angesichts der im
Auszahlungszeitpunkt bestehenden rechtlichen Ungewissheit allein pflichtgerecht
gewesen, zur Vermeidung von Haftungsfolgen die Kapitalertragsteuer auf die
Zahlungen an die anspruchsberechtigten Familienmitglieder einzubehalten und an
das FA abzuführen. Kommt ein Steuerpflichtiger bei umstrittener Rechtslage
seiner Verpflichtung, Kapitalertragsteuer einzubehalten und an das FA
abzuführen, nicht nach, handelt er regelmäßig grob fahrlässig. Seinen
gegenteiligen rechtlichen Standpunkt kann er ggf. durch Anfechtung der
Kapitalertragsteuerfestsetzungen geltend machen (s. auch Senatsurteil vom 17.
Februar 2010 I R 85/08, BFHE 229, 114, m.w.N.). Das vereinfachte Verfahren der
Kapitalertragsteuererhebung an der Quelle würde erheblich beeinträchtigt,
könnte der Abzugsverpflichtete bei jeder strittigen Rechtsfrage vom Steuerabzug
absehen und das FA auf die Zahlungsgläubiger verweisen.

b) Das FA war auch nicht gehalten, gegenüber der Klägerin
einen Steuerbescheid zu erlassen, da dieser im Verhältnis zum Haftungsbescheid
nicht das mildere Mittel ist. Das FA hat vielmehr ein Wahlrecht, den
Haftungsschuldner entweder durch Haftungsbescheid oder durch Steuerbescheid in
Anspruch zu nehmen, wenn dieser seine Steueranmeldepflicht nicht erfüllt hat
(Senatsbeschluss vom 18. März 2009 I B 210/08, BFH/NV 2009, 1237, m.w.N.).

c) Das FA hat auch sein Auswahlermessen fehlerfrei ausgeübt
(vgl. § 102 FGO). Das FA mag zwar im Grundsatz gehalten sein, unter den – im
Streitfall vorliegenden – Voraussetzungen des § 44 Abs. 5 Satz 2 Nr. 1 EStG
2002 n.F. in erster Linie den Steuerschuldner und erst nachrangig einen
Haftungsschuldner in Anspruch zu nehmen. Dieser Grundsatz kann aber nur dann
durchgreifen, wenn keine Gründe für eine abweichende Ermessensausübung
bestehen. Dabei kommt es für die Frage, ob die Inanspruchnahme des Abführungsverpflichteten
ermessensfehlerfrei ist oder nicht, entscheidend auf die Verhältnisse im
Zeitpunkt der Einspruchsentscheidung an (Urteil des Bundesfinanzhofs vom 26.
März 1991 VII R 66/90, BFHE 164, 7, BStBl II 1991, 545).

Bei Erlass des streitigen Haftungsbescheides waren dem FA
die Namen der Destinatäre nicht bekannt. Die Klägerin hat zwar im
Einspruchsverfahren gegen den Haftungsbescheid sechs Destinatäre namentlich
benannt, nicht jedoch deren Anschriften. Das FA war allein aufgrund dieser
Information nicht gehalten, vor Erlass der Einspruchsentscheidung die Klägerin
dazu aufzufordern, die Anschriften und die zuständigen Finanzämter der
Destinatäre mitzuteilen. Es wäre vielmehr Sache der Klägerin gewesen,
spätestens im Einspruchsverfahren zur Vermeidung der eigenen Inanspruchnahme
die Steuerschuldner einschließlich deren Anschriften zu benennen. Nachdem die
Klägerin dies nicht getan hat, konnte das FA davon ausgehen, dass die Klägerin
nicht willens war, die Leistungsempfänger zu benennen. Daher ist die in der
Einspruchsentscheidung gegebene Begründung des FA für die Aufrechterhaltung des
Haftungsbescheides, die Ermittlung der Destinatäre sei mit erheblichem
Ermittlungsaufwand verbunden, frei von Ermessensfehlern.

4. Das FG ist von anderen Grundsätzen ausgegangen. Sein
Urteil ist aufzuheben; die Klage ist abzuweisen.
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